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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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diesen Mann erzählt«, sagte das Mädchen. »Der Polizei in Kopenhagen.« Skacke war angenehm überrascht, daß sie Schwedisch sprach, wenn auch mit unverkennbar dänischem Akzent. »Ja, ich weiß«, sagte er. »Es gibt aber etwas, wonach man Sie noch nicht gefragt hat. Haben Sie zufällig gesehen, ob der Mann, der am Mittwochabend oben an Deck stand, etwas in der Hand hatte?« Die Schiffsstewardess biß sich auf die Lippe und zog die Stirn kraus. Schließlich sagte sie zögernd: »Jaa, jetzt, wo Sie es sagen… Ich glaube, ich kann mich erinnern… Ja, warten Sie mal, er hatte tatsächlich etwas in der Hand. Einen Karton, einen schwarzen Karton, etwa so groß.« Sie deutete die Maße mit den Händen an.
    »Haben Sie bemerkt, ob er den Karton noch bei sich hatte, als er herunterkam und sich hinsetzte?«
    Sie überlegte eine Weile. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß es wirklich nicht genau. Ich habe nur gesehen, daß er den Karton unterm Arm hatte, als er oben an Deck stand.«
    »Trotzdem vielen Dank«, sagte Skacke. »Sie haben uns einen wertvollen Hinweis gegeben. Ihnen ist seit Ihrem Gespräch mit der Polizei in Kopenhagen nicht zufällig noch etwas zu diesem Mann eingefallen?«
    Sie schüttelte noch einmal den Kopf. Dann sagte sie mit einem berufsmäßigen Lächeln: »Nein, leider nichts. Und wenn Sie mich entschuldigen wollen: Ich muß für die nächste Tour alles wieder herrichten.«
    Skacke radelte zurück zum Davidshallstorg und gingzu seinem Zimmer im Polizeihaus hinauf. Eigentlich hatte er heute frei, aber es war fast elf Uhr und damit Zeit, Monica anzurufen. Er rief lieber von seinem Dienstzimmer als von zu Hause an. Einmal wagte er es wegen der hohen Kosten nicht, von dort zu telefonieren, zum anderen war die Wutin recht neugierig. Und wenn er mit Monica telefonierte, war er lieber ungestört.
    Monica war ebenfalls frei und allein in ihrer Wohnung, die sie zusammen mit einer Kollegin bewohnte. Das Gespräch dauerte fast eine Stunde, aber was machte das schon?
    Die Polizei zahlte ja, oder vielmehr die Steuerzahler.
    Als Skacke auflegte, hatte er ganz andere Dinge im Kopf als den Mord an Viktor Palmgren.

11
    Martin Beck und Mänsson sahen sich am Montagmorgen um acht im Polizeihaus wieder. Keiner der beiden war sonderlich guter Laune; Mänsson wirkte flau, behäbig und wenig unternehmungslustig, und Martin Beck war nachdenklich und in düsterer Stimmung.
    Sie blätterten schweigend in ihren Papieren, in denen sich aber nichts fand, was sie hätte aufmuntern können. Am Sonntag hatte sich nichts weiter ereignet, außer daß es in der Stadt noch heißer und menschenleerer geworden war, und als die Nachmittagszeitungen mit offizieller Genehmigung meldeten, »die Fahndungssituation sei unverändert«, hatte diese leere und abgedroschene Phrase durchaus ihre Berechtigung. Das einzig Positive war der unklare Bescheid Skackes von der Stewardess.
    Der Juli ist ein für polizeiliche Ermittlungen höchst ungeeigneter Monat. Wenn dazu noch schönes Wetter herrscht, ist er für fast alles ungeeignet, bis aufs Ferienmachen. Das Königreich Schweden ist mehr oder weniger geschlossen, nichts funktioniert, und es ist unmöglich, Leute zu erwischen, von denen man etwas will, ganz einfach, weil die meisten außer Landes oder zu ihren Sommerhäusern gefahren sind. Dies gilt für die meisten Personengruppen, angefangen bei den einheimischen Berufsverbrechern bis zu den Staatsbeamten und wenigen Polizisten, die sich im Dienst befinden und meist damit beschäftigt sind, den buntscheckigen Strom von Ausländern im Auge zu behalten oder den Verkehr auf den Autostraßen flüssig zu halten. Martin Beck hätte zum Beispiel viel darum gegeben, wenn er mit seinem alten Mitarbeiter Fredrik Melander hätte sprechen können. Dieser war heute Kriminalinspektor beim Dezernat für Gewaltverbrechen in Stockhohn, neunundvierzig Jahre alt und mehr denn je zuvor im Besitz des zuverlässigsten Gedächtnisses der gesamten Polizei, wenn es um Namen, Ereignisse, Situationen und all die anderen Fakten ging, die er in dreißig Dienstjahren hatte aufschnappen können. Er war der Mann, der nie etwas vergaß, und einer der wenigen, die in der eigenartigen Affäre Palmgren etwas Konstruktives hätte sagen können. Melander war aber definitiv außer Reichweite. Er hatte Urlaub und sich wie immer, wenn er dienstfrei hatte, in seinem Sommerhaus draußen auf Värmdö vollständig von der Außenwelt isoliert.

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