Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
Vom Netzwerk:
Beruf, in dem Empfindsamkeit und persönliches Engagement ein Luxus sind, den man sich in neun von zehn Fällen nicht leisten kann.
    Warum verkehrten Polizisten fast ausschließlich mit anderen Polizisten?
    Natürlich deshalb, weil es leichter war. Es war leichter, die nötige Distanz zu halten. Aber auch leichter, die ungesunde Kameraderie zu übersehen, die sich seit vielen Jahren ungehemmt im Polizeikorps breitmachte und im Prinzip bedeutete, daß der einzelne Polizeibeamte sich selbst von der Gesellschaft ausschloß, die er schützen und in die er vor allem integriert werden sollte. Polizisten kritisieren zum Beispiel nicht andere Polizisten, es sei denn in seltenen Ausnahmefällen.
    Eine erst kürzlich durchgeführte soziologische Untersuchung zeigte, daß Polizisten, die Urlaub haben und sich infolgedessen notgedrungen mit anderen Menschen befassen müssen, sich in den meisten Fällen schämen, zuzugeben, daß sie Polizeibeamte sind.
    Ein Ergebnis der Rollenfixierung und der Mythen, die sich um diesen Beruf ranken.
    Die ständige Angst, Mißtrauen oder offener Verachtung zu begegnen, kann am Ende auch den Stärksten paranoid machen. Kollberg schüttelte sich unlustig. Er wollte nicht Furcht und Schrecken verbreiten. Er wollte nicht, daß man ihm mißtraute. Er wollte nicht verachtet werden. Er wollte nicht zum Paranoiker werden.
    Dagegen wollte er zwei Menschen zu fassen bekommen, die Hampus Broberg und Helena Hansson hießen. Und er wußte noch immer nicht, warum.
    Er ging auf die Toilette und trank Wasser. Obwohl der Wasserhahn minutenlang aufgedreht blieb, war das Wasser lauwarm und abgestanden.
    Er schnaufte und ließ sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Zeichnete zerstreut einen kleinen fünfzackigen Stern aufs Löschpapier. Und noch einen. Und danach einen weiteren.
    Nachdem er fünfundsiebzig fünfzackige Sterne aufs Löschpapier gemalt hatte, klingelte das Telefon.
    »Ja, Kollberg.«
    »Hej, hier Äsa.«
    »Habt ihr was herausgefunden?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Was?«
    »Wir haben diese Person Hansson geortet.« Äsa Torell machte eine Pause. Dann sagte sie: »Jedenfalls bin ich ziemlich sicher, daß es sich um die gesuchte Person handelt.«
    »Und?«
    »Sie ist bei uns registriert.«
    »Als Nutte?«
    »Ja, in der etwas feineren Abteilung der Branche. Sie ist das, was wir ein Callgirl nennen.«
    »Und wo wohnt sie?«
    »Banergatan. Die andere Adresse ist falsch. In der Västeräsgatan hat sie unseres Wissens nie gewohnt. Die Telefonnummer dagegen war nicht völlig aus der Luft gegriffen. Sie scheint diese Kontaktnummer früher einmal benutzt zu haben.«
    »Und der Name? Heißt sie wirklich Helena Hansson?«
    »Davon sind wir ziemlich überzeugt. Sie war ja am Mittwoch gezwungen, sich auszuweisen, so daß sie in dieser Hinsicht kaum falsche Angaben gemacht haben kann.«
    »Befindet sie sich im Strafregister?«
    »O ja, sie ist schon als Teenager Prostituierte gewesen. Unsere Abteilung hat allerhand mit ihr zu tun gehabt, allerdings in den letzten Jahren nicht mehr soviel.«
    Äsa verstummte für einige Zeit. Kollberg konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie im Augenblick aussah. Vermutlich hockte sie an einem Schreibtisch, genau wie er selbst, und kaute nachdenklich am Daumennagel.
    »Sie scheint angefangen zu haben wie die meisten, mehr oder weniger gratis. Dann ging sie auf die Straße. Sie ist aber offensichtlich smart genug gewesen, sich in eine gewinnträchtigere Klasse hochzuarbeiten. Einem Callgirl-Ring anzugehören bedeutet für diese Art Mädchen eine ganze Menge. Das ist schon fast ein respektabler Job.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    »Die Callgirls gehören zur Creme der Prostituierten. Sie nehmen nicht jeden beliebigen Freier, sondern stellen sich nur dann zur Verfügung, wenn ein wirklich zahlungskräftiger Kunde auftaucht. Die Tatsache, daß sie sich Reisesekretärin oder wie in Malmö sogar Chefsekretärin nennt, zeigt, daß sie einen gewissen Stil hat und fähig ist, sich auch einer gehobeneren Umgebung anzupassen. Es ist ein großer Unterschied, ob man in der Regerinsgatan auf den Strich geht oder zu Hause in einer Wohnung in Östermalm sitzt von Demonstrationen, Attentaten und politischen Verwicklungen die Rede war.
    »Tja«, sagte Kollberg. »Es sieht jedenfalls so aus, als ob Palmgren die meisten seiner Millionen mit etwas verdiente, was das genaue Gegenteil von Entwicklungshilfe ist, nämlich mit internationalen Waffengeschäften, bei denen er ungeheure

Weitere Kostenlose Bücher