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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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Larsson fort. »Was hältst du von diesen Menschen?«
    »Sie sind sehr vermögend«, sagte die Schwester indifferent.
    »Das seid ihr ja auch, du und dein fieser Baron.«
    »Ja«, sagte sie. »Das ist richtig.«
    »Zum Golde drängt doch alles«, deklamierte Gunvald Larsson. Sie sah ihn lange an und sagte dann mit großer Schärfe: »Ich möchte, daß du eines begreifst, Gunvald.«
    »Nämlich?«
    »Daß diese Männer - Palmgren und Broberg - durchaus nicht zur selben Kategorie gehören wie wir. Sie haben zwar sehr viel Geld, vor allem Palmgren. Das heißt, bei dem müßte ich wohl ›hatte‹ sagen. Sie haben aber keine Lebensart, keinen Stil. Sie sind rücksichtslose Geschäftsleute, die alles niedertrampeln, was sich ihnen in den Weg stellt. Man hat mir erzählt, daß Broberg ein Wucherer ist und daß Palmgren im Ausland die suspektesten Geschäfte gemacht hat. Solche Menschen verschaffen sich mit Hilfe ihres Geldes zwar Zugang zu den höchsten Kreisen, aber eines erreichen sie nie: Man wird sie nie ganz akzeptieren.«
    »Oho, das läßt sich hören. Du akzeptierst diesen Broberg also nicht?«
    »Doch, das tue ich, aber nur wegen seines Geldes. Mit Palmgren war es genauso. Sein Vermögen hat ihm hier und da einigen Einfluß verschafft. So wie sich unsere Gesellschaft heute entwickelt hat, kann man auf Männer vom Schlage Palmgrens und Brobergs nicht verzichten. Sie sind in mancherlei Hinsicht für das Funktionieren des Staates wichtiger als Regierung und Reichstag und Ministerien. Darum müssen auch Menschen wie wir sie akzeptieren.«
    Gunvald Larsson sah seine Schwester mit Abscheu an. »Ach so, so denkst du also. Ich glaube, daß in nicht allzu ferner Zukunft Dinge geschehen werden, die dich und eure ganze Oberschicht-Blase ziemlich in Erstaunen versetzen werden.«
    »Und was könnte das sein, bitte schön?«
    »Bist du wirklich so strohdumm, daß du nicht merkst, was um uns herum vorgeht? In der ganzen Welt?«
    »Schrei mich nicht an«, sagte sie kalt. »Wir sind keine Kinder mehr. Und jetzt finde ich, du solltest dich dorthin verziehen, wo der Pfeffer wächst.«
    »Dort bin ich schon gewesen. Du vergißt, daß ich mal Seemann war.«
    »Hugold kann jeden Augenblick kommen. Ich möchte nicht, daß du dann noch hier bist.«
    »Er hat einen kurzen Arbeitstag, wie ich sehe.«
    »Ja, das hat er. Bei Männern in verantwortungsvollen Positionen ist das nun einmal so. Adjö, Gunvald.«
    Er stand auf. »Nun, du bist mir jedenfalls eine große Hilfe gewesen.«
    »Ich hätte dir nicht ein Wort gesagt, wenn du mich nicht praktisch erpreßt hättest.«
    »Das ist mir klar.«
    »Und meinetwegen können wieder zehn Jahre vergehen, bevor ich dich wiedersehe.«
    »Mir geht's genauso. Hej.« Sie antwortete nicht.
    Die Freundin stand auf und sagte: »Ich werde jetzt auch lieber verschwinden.«
    Gunvald Larsson sah sie an. Sie war ein hochgewachsenes, schlankes Mädchen und reichte ihm mindestens bis zur Schulter. Ihre Kleidung war elegant und geschmackvoll. Nicht zuviel Makeup, nicht zuwenig. Überhaupt nicht zuviel und nicht zuwenig. Er hatte draußen keinen zweiten Wagen gesehen und sagte: »Soll ich Sie in die Stadt mitnehmen?«
    »Ja bitte, sehr gern.«
    Sie gingen. Gunvald Larsson ließ den Blick über die jetzt offenbar ehemalige Brobergsche Villa schweifen und zuckte die Achseln. Als sie im Wagen saßen, versuchte er sich unauffällig zu überzeugen, ob sie einen Ehering trug. Sie trug keinen.
    »Übrigens, ich habe vorhin den Namen nicht richtig verstanden.«
    »Lindberg. Sonja Lindberg. Ich habe dich schon gekannt, als ich noch ein ganz kleines Mädchen war.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Du warst natürlich viel größer als ich. Schon damals.« Gunvald Larsson fand sie attraktiv. Ob er mal mit ihr ausgehen sollte? Nun, das hatte im Augenblick noch Zeit. Nur keine Eile. Er konnte sie irgendwann mal anrufen. »Wo soll ich dich absetzen?« fragte er.
    »Stureplan, bitte. Ich habe meine Praxis in der Birger Jarlsgatan. Da wohne ich auch.«
    Gut, dachte er. Dann brauch ich nicht danach zu fragen.
    Keiner von ihnen sprach mehr, als er am Stureplan hielt.
    »Hej, und danke«, sagte sie und hielt ihm die Hand hin. Sie war schmal, trocken und kühl.
    »Hej«, sagte er. Schlug die Tür zu und fuhr an.
    In seinem Dienstzimmer in der Kungsholmsgatan fand er rund fünfzehn Mitteilungen vor, darunter eine von Kollberg, der in Västberga war und angerufen werden wollte. Gunvald Larsson erledigte die dringendsten Vorgänge, bevor er die

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