Und die Großen lässt man laufen
Granberg war Erste Kriminalassistentin im Sittlichkeitsdezernat und unter anderem Asa Torells Vorgesetzte.
»Und außerdem hat ihre Abteilung auch in Malmö bestimmte Interessen wahrzunehmen«, fuhr Kollberg fort. »Wenn du also mit Helena Hansson sprechen willst, so würde das keine Schwierigkeiten machen.« Martin Beck sagte nichts.
»Nun?« sagte Kollberg schließlich. »Was soll ich tun?«
»Es wäre ohne Zweifel interessant, ein paar Gegenüberstellungen vorzunehmen«, murmelte Martin Beck.
»Ich höre nicht, was du sagst«, beschwerte Kollberg sich. »Ich muß mir die Sache mal durch den Kopf gehen lassen. Ich rufe dich in einer halben Stunde oder so wieder an.«
»Aber auf keinen Fall später. Jeden Augenblick werden alle ankommen und mir an die Gurgel springen. Malm, der Reichspolizei-Chef, die ganze Blase.«
»In einer halben Stunde. Ehrenwort.«
»Gut. Hej.«
»Hej«, sagte Martin Beck und legte auf. Er blieb mit den Ellbogen auf der Tischplatte sitzen und stützte den Kopf in die Hände. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis das Bild klarer wurde.
Hampus Broberg hatte alle seine Vermögenswerte in Schweden zu Bargeld gemacht und versucht, außer Landes zu fliehen. Zuerst hatte er dafür gesorgt, daß seine Familie in Sicherheit war. Dies alles deutete darauf hin, daß seine Situation im Augenblick von Palmgrens Tod unhaltbar geworden war.
Warum?
Höchstwahrscheinlich deshalb, weil er seit Jahren große Geldbeträge der ihm von Palmgren unterstellten Betriebe veruntreut hatte - also der Immobilienfirma, des Aktienfonds und der Wuchererfirma.
Viktor Palmgren hatte Broberg vertraut, und dieser hatte sich folglich so lange sicher fühlen können, wie der Konzernchef am Leben war. Nach dessen Tod sah die Sache anders aus. Er hatte sich bedroht gefühlt, wenn auch nicht an Leib und Leben, so doch insofern, als er eine finanzielle Katastrophe und eine lange Gefängnisstrafe auf sich zukommen sah.
Bedroht von wem?
Von den Behörden kaum, denn es war höchst unwahrscheinlich, daß es der Polizei oder den Steuerbehörden gelingen würde, durch die Palmgrenschen Geschäfte hindurchzusteigen. Wenn sich das überhaupt machen ließ, dann nur im Verlauf gründlicher Ermittlungen, die sich unter Umständen Jahre hinziehen konnten. Am nächsten lag natürlich Mats Linder. Oder möglicherweise Hoff-Jensen. Aber Linders Abneigung gegen Broberg war so stark, daß er sie nicht einmal bei einem Gespräch mit der Polizei hatte unterdrücken können. Hatte er nicht sogar angedeutet, daß Broberg ein Betrüger sei? Daß Palmgren sich zu sehr auf seinen Mann in Stockholm verlassen habe?
Auf jeden Fall lag Linder in einem eventuellen Machtkampf um die Millionen Palmgrens am besten im Rennen.
Wenn Broberg große Beträge veruntreut hatte, war Linder in der Lage, eine sofortige Buchprüfung bei allen Firmen anzuordnen und Anzeige gegen Broberg zu erstatten. Andererseits hatte Linder dies aber noch nicht getan, obwohl er wissen oder zumindest ahnen mußte, daß es eilig war. Statt dessen hatte die Polizei dem Vorhaben Brobergs ein Ende gesetzt, obwohl das eher dem Zufall zuzuschreiben war.
Was ein Hinweis darauf sein mochte, daß Linder sich selbst in einer prekären Lage befand und nicht das Risiko einzugehen wagte, selbst Gegenbeschuldigungen ausgesetzt zu werden.
Wie dem auch sein mochte: Broberg hatte durch Palmgrens Tod nichts gewinnen können, und vor allem hatte er ihn nicht vorausgesehen. Sein Aktivwerden seit Freitag, worauf Kollberg sehr richtig hingewiesen hatte, war durch das plötzliche Ableben Palmgrens bedingt gewesen, und alles deutete darauf hin, daß er schnell, beinahe in Panik gehandelt hatte. Er war also so gut wie unvorbereitet gewesen.
Sprach ihn das nicht von dem Verdacht frei, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein?
Martin Beck war jedenfalls von einem überzeugt: Wenn hinter der Gewalttat tatsächlich ein Komplott steckte, so war es nicht politischer, sondern wirtschaftlicher Natur.
Wer hatte etwas von Palmgrens Ableben zu gewinnen? Wer war informiert und gefährlich genug, einen hartgesottenen Wirtschaftsgangster wie Broberg in die Flucht zu schlagen? Darauf konnte es nur eine Antwort geben.
Mats Linder. Der Mann, der sich schon der Ehefrau Palmgrens vergewissert hatte und auch im Kampf um die wirtschaftliche Macht über die stärksten Trumpfkarten verfügte.
Charlotte Palmgren war mit ihrem Dasein zufrieden, um sich auf Verschwörungen auf einer so hohen Ebene einzulassen. Außerdem war sie
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