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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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das?«
    »Auf dem Deckel steht sogar das Fabrikat. Eine Arminius 22. Und, guck mal hier, in diesem zweiten Ausschnitt hat ein Zusatzkolben gelegen, so daß man den sogar gegen den anderen austauschen konnte, wenn man einen gröberen Kolben mit größerer Grifffläche haben wollte.«
    »Pfui«, sagte die Frau. »Ich kann Schußwaffen nicht ausstehen.«
    Der Mann lachte. Er warf den Karton aber nicht weg, sondern behielt ihn in der Hand, während sie zur Straße zurückgingen. »Dies ist doch nur eine leere Kiste«, sagte er. »Vor der brauchst du keine Angst zu haben.«
    »Trotzdem«, beharrte die Frau. »Wenn nun der Revolver oder die Pistole noch drin gewesen und geladen gewesen wäre, und Jens hätte sie gefunden und…«
    Der Mann lachte wieder und streichelte seiner Frau nachsichtig die Wange. »Du mit deiner Phantasie«, sagte er. »Wenn der Revolver in der Kiste gelegen hätte, hätte sie nicht an Land treiben können, sondern wäre untergegangen. So eine Zweiundzwanziger hat nämlich ein ganz schönes Gewicht. Im übrigen lag bestimmt keine Waffe in der Kiste, als sie ins Wasser geworfen wurde. So ein teures Ding wie einen Revolver schmeißt man doch nicht einfach ins Wasser…«
    »… wenn es nicht ein Gangster getan hat, der eine Mordwaffe loswerden wollte«, ergänzte die Frau. »Du, stell dir vor, wenn…«
    Sie blieb urplötzlich stehen und zupfte ihren Mann eifrig am Ärmel.
    »Und wenn es so gewesen ist? Ich finde, wir sollten mit dem Ding zur Polizei gehen.«
    »Bist du verrückt geworden? Damit die uns auslachen?« Sie gingen wieder weiter. Jens lief vor ihnen her.
    Seine Schatzkiste hatte er vergessen.
    »Man kann nie wissen«, sagte sie. »Es kann jedenfalls nicht schaden. Wir gehen zur Polizei.«
    Die Frau war hartnäckig, und ihr Mann, der seit zehn Jahren genug Kostproben von ihrer Hartnäckigkeit erhalten hatte, wußte, daß es besser war, gleich nachzugeben.
    Und so kam es, daß Polizeiassistent Larsen in Dragor eine Viertelstunde später mit ansehen mußte, wie seine Schreibunterlage von einer nassen Revolverkiste aus Westdeutschland aufgeweicht wurde.

23
    Wenn am Montag und am Dienstag etwas weniger passiert war, ereignete sich zum Ausgleich am Mittwoch überhaupt nichts.
    Jedenfalls nichts, was die Ermittlungen weitergebracht hätte. Martin Beck hatte schon beim Aufstehen das Gefühl, daß es ein merkwürdiger Tag werden würde.
    Er fühlte sich unlustig und unzufrieden. Er war spät eingeschlafen und früh aufgewacht. Er hatte einen bleiernen Geschmack im Mund, und im Kopf bohrten unausgegorene Gedanken.
    Im Polizeihaus herrschte die gleiche dumpfe Atmosphäre. Mänsson hockte still und nachdenklich an seinem Schreibtisch und blätterte immer wieder in seinen Papieren, während er seine unvermeidlichen Zahnstocher zerkaute. Skacke machte einen niedergeschlagenen Eindruck, und Backlund Putzte mit beleidigter Miene seine Brille.
    Martin Beck hatte die Erfahrung gemacht, daß Tiefpunkte dieser Art bei jeder schwierigen Ermittlung vorkamen. Sie konnten sich über Tage oder gar Wochen erstrecken, und allzuoft kam man überhaupt nicht aus ihnen heraus. Das Material, mit dem man arbeiten konnte, schien völlig unzulänglich zu sein, Auswege aus der Sackgasse waren nicht zu sehen. Alle Spuren endeten im Nichts.
    Wenn er einer Eingebung gefolgt wäre, hätte er alles stehen und liegengelassen, den Zug nach Falsterbo genommen und sich dort am Strand geaalt Die seltene schwedische Hochsommerhitze wäre ihm am Badestrand besser bekommen als hier im Polizeihaus. Die Morgenblätter hatten Wassertemperaturen von mehr als zwanzig Grad angekündigt, was für die Ostsee wirklich ungewöhnlich viel ist.
    Ein Kriminalkommissar hat aber natürlich nicht faul am Strand zu liegen, schon gar nicht während der Jagd nach einem Mörder. Die ganze Geschichte war unerhört irritierend. Martin Beck drängte es sowohl physisch wie psychisch zur Tat, aber er wußte nicht, was er anstellen sollte. Noch weniger brachte er es fertig, anderen Befehle zu erteilen. Nach einigen Stunden offenkundiger Untätigkeit fragte Skacke geradeheraus: »Was soll ich tun?«
    »Frag Mänsson.«
    »Das habe ich schon getan.«
    Martin Beck schüttelte den Kopf und ging in sein Zimmer. Sah auf die Uhr. Immer noch erst elf. Noch drei Stunden, bis die Maschine mit Broberg und Helena Hansson an Bord in Malmö landen würde. Weil ihm nichts Besseres einfiel, rief Martin Beck das Palmgrensche Büro an und bat, mit Mats Linder verbunden zu werden.

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