Und die Großen lässt man laufen
in dem er wohnte, aufgegriffen und über Nacht zur Ausnüchterung in Arrest gehalten. Bis zum Juli achtundsechzig hatte man ihn insgesamt noch fünfmal auf dieselbe Wache gebracht, einmal wieder wegen Trunkenheit und viermal wegen ruhestörenden Streits in der Wohnung. Das war alles. Seit diesem Juli gab es keine diesbezüglichen Aufzeichnungen mehr über ihn.
Die Nüchternheitsbehörde war ebenfalls eingeschaltet gewesen. Man hatte ihre Beamten mehrmals in seine Wohnung gerufen - sowohl der Hauseigentümer wie auch Nachbarn hatten das veranlaßt. Sie hatten behauptet, sich durch das angetrunkene Auftreten Svenssons belästigt zu fühlen. Die Behörde hatte ihn im Auge behalten, aber von den beiden Anlässen abgesehen, die die Polizei zu einer vorübergehenden Festnahme veranlaßt hatten, hatte die Behörde nicht wieder gemeint eingreifen zu müssen.
Vor Oktober siebenundsechzig war er nie wegen Trunkenheit aufgefallen. Doch von diesem Zeitpunkt an befand er sich in den Papieren der amtlichen Dienststelle. Man hatte ihn ein paarmal verwarnt, aber darüber hinaus waren keinerlei Maßnahmen gegen ihn ergriffen worden.
Auch bei der Jugendbehörde war die Familie Svensson bekannt. Es hatten sich Mieter, die im selben Haus wohnten wie Svenssons, verschiedentlich über sie beklagt. Die Klagen betrafen hauptsächlich die mangelhafte Pflege der Kinder. Soweit Kollberg erfahren konnte, waren diese Klagen sämtlich von einem einzigen Nachbarn der Svenssons erhoben worden, und zwar bei allen Behörden.
Die Kinder, die damals sieben und fünf Jahre alt waren, wurden in den Berichten als »verwahrlost« bezeichnet. Sie seien schlecht gekleidet, und derjenige, der sich beklagt hatte, behauptete, aus der Wohnung der Familie Svensson Kindergeschrei gehört zu haben. Die Jugendbehörde war den Beschwerden nachgegangen, zuerst im Dezember siebenundsechzig und dann ein weiteres Mal im Mai achtundsechzig. Man hatte mehrmals Hausbesuche gemacht, aber dabei waren keine Anzeichen für eine grobe Vernachlässigung der Kinder festgestellt worden. Die hygienischen Verhältnisse in der Wohnung mochten zwar nicht die besten sein, die Mutter machte einen faulen und schlampigen Eindruck, der Vater war arbeitslos, und die finanziellen Verhältnisse der Familie waren nicht gerade die besten. Es deutete jedoch nichts auf eine Verwahrlosung der Kinder hin. Der Älteste kam in der Schule gut mit, war gesund und normal begabt, wenn auch etwas schüchtern und verschlossen. Das Jüngste war tagsüber meist zu Hause bei der Mutter, war aber gelegentlich in einem privaten Kindertagesheim untergebracht, da die Mutter Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Die Kindergärtnerin bezeichnete das Kind als lebhaft, lernfähig und soziabel. Es hatte nie irgendwelche Anzeichen von Kränklichkeit gezeigt. Seit November achtundsechzig lebten die Eltern getrennt. Die Kinder standen noch immer unter Aufsicht.
Von Oktober siebenundsechzig bis April achtundsechzig hatte die Familie Arbeitslosenunterstützung bezogen. Der Mann hatte sich zur Umschulung gemeldet, und im Herbst achtundsechzig hatte er in der Lehrwerkstatt des Arbeitsamtes eine Grundausbildung als Mechaniker erhalten. Im Januar neunundsechzig, in diesem Jahr also, war er in den mechanischen Werkstätten von Kockums in Malmö als Hilfsarbeiter eingestellt worden.
Das Gesundheitsamt hatte nach Einreichen der Kündigungsklage durch die Immobilienfirma in Svenssons Wohnung Lärmmessungen durchgeführt. Der Lärm - in Form von Kindergeschrei, Getrampel und dem Betätigen der Wasserspülung - sei, so hatte man festgehalten, unerträglich groß.
Das gleiche schien übrigens für das gesamte Wohngebiet zu gelten, aber darauf hatte offenbar kein Mensch Rücksicht genommen.
Das Wohnungsamt hatte im Juni achtundsechzig über das Recht der Immobilienfirma entschieden, den Mietvertrag mit Svensson zu kündigen. Am 1. September war die Zwangsräumung erfolgt. Eine Ersatzwohnung war nicht zur Verfügung gestellt worden.
Kollberg hatte auch mit dem Drachen der Hausverwaltung gesprochen. Diese Dame bedauerte es sehr, daß man sich gezwungen gesehen habe, so weit zu gehen, aber es hätten einfach zu viele Beschwerden vorgelegen. Schließlich sagte sie: »Ich glaube, daß es auch für sie selbst so am besten war. Die paßten einfach nicht hierher.«
»Warum?« fragte Kollberg.
»Wir haben bei unseren Mietern einen anderen Standard, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir sind es einfach nicht gewohnt, jeden Tag irgendein
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