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Und die Großen lässt man laufen

Und die Großen lässt man laufen

Titel: Und die Großen lässt man laufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Per Wahlöö Maj Sjöwall
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Amt oder die Polizei anzurufen und um Hilfe zu bitten…«
    »Es waren also nicht die Nachbarn, die die Behörden auf Familie Svensson aufmerksam machten, sondern Sie?« hatte Kollberg gefragt.
    »Ja, natürlich. Wenn man davon hört, daß irgendwo etwas nicht in Ordnung ist, hat man doch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Angelegenheit untersuchen zu lassen. Außerdem ist einer der Nachbarn sehr kooperativ gewesen.«
    An diesem Punkt hatte er das Gespräch abgebrochen, fast krank vor Hilflosigkeit und Abscheu.
    Durfte es das wirklich geben? Ja, offensichtlich.
    Kollberg parkte den Wagen in der Norrtullsgatan, stieg aber nicht gleich aus. Er zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus der Tasche, und mit seinen Aufzeichnungen als Gedächtnisstütze machte er folgende Aufstellung:
    1967 Sept. Okt. Nov.
    Entlassen.
    Trunkenheit (Polizeiwache Bollmora) Nüchtemheitsbehörde Dez.
    1968 Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
    1969 Jan. Juli Streit in der Wohnung. Jugendbehörde Streit in der Wohnung (P. Bollmora) Nüchternheitsbehörde Trunkenheit (P. Bollmora)
    Streit in der Wohnung (P. Bollmora). Nüchtemheitsbehörde Jugendamt Bestätigung der Kündigung durch das Wohnungsamt Beschluß über Zwangsräumung. Streit in der Wohnung (P. Bollmora)
    Zwangsräumung Trennung der Ehegatten Zieht nach Malmö. Kockums Erschießt V. Palmgren?
    Er las das, was er geschrieben hatte, noch einmal gründlich durch und dachte, daß man diese düstere Tabelle passenderweise überschreiben müsse: Ein Unglück kommt selten allein.

27
    Norrtullsgatan 23 war ein altes und heruntergekommenes Haus. Nach der stickigen Hitze draußen auf der Straße war es im Treppenhaus überraschend kühl. Es schien, als hätten sich Feuchtigkeit und Kühle des Winters in den Mauern hinter dem abbröckelnden Putz erhalten.
    Frau Svensson wohnte im ersten Stock, und die Tür mit dem Namensschild EVA SVENSSON schien ein Kücheneingang zu sein. Kollberg hämmerte an die Tür. Nach kurzer Zeit waren drinnen Schritte zu hören, das Rasseln einer Sicherheitskette, die ausgehakt wurde, und dann wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet. Kollberg zeigte seine Legitimation. Er konnte nicht sehen, wer die Tür aufmachte, hörte aber, einen tiefen Seufzer.
    Wie er schon erraten hatte, betrat er eine große Küche. Die Frau, die hinter ihm die Tür zumachte, war klein und dünn. Ihre Züge waren scharf und vergrämt. Sie hatte strähniges Haar, das wohl vor sehr langer Zeit zum letztenmal blondiert worden war, denn die Haarspitzen waren fast weiß, während die Haare dann etwas dunkler wurden, um in der Nähe des Haarbodens in ein dunkles Braun überzugehen. Sie trug ein gestreiftes Kleid aus verwaschener Baumwolle mit großen dunklen Schweißflecken unter den Armen. Kollberg spürte am Geruch, daß sie seit der letzten Wäsche in diesem Kleid nicht zum erstenmal schwitzte. Sie hatte keine Strümpfe an und trug Hausschuhe aus Frottee von unbestimmter Farbe.
    Kollberg wußte, daß sie neunundzwanzig war, hätte sie sonst aber auf mindestens fünfunddreißig geschätzt.
    »Polizei?« sagte sie zögernd. »Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Falls Sie Bertil suchen: Er ist nicht hier.«
    »Nein«, sagte Kollberg. »Ich weiß. Ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten, wenn Sie erlauben. Darf ich hereinkommen?«
    Die Frau nickte und ging zum Küchentisch, der vorm Fenster stand. Auf dem geblümten Plastetuch lagen eine aufgeschlagene Illustrierte, ein halb aufgegessenes Butterbrot, und in einer mit blauen Blumen bemalten Untertasse, die schon mit Kippen von Filterzigaretten gefüllt war, glomm eine Zigarette still vor sich hin. Am Tisch standen drei Stühle.
    Die Frau setzte sich hin und nahm die Zigarette in die Hand, während sie auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches zeigte.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte sie.
    Kollberg setzte sich und warf einen kurzen Blick auf einen düsteren Hinterhof. Eine Teppichstange und Mülltonnen schienen dort das einzige belebende Element zu sein.
    »Worüber wollen Sie eigentlich mit mir sprechen?« sagte Eva Svensson aufmüpfig. »Sie können nicht lange bleiben, bald muß ich Tomas aus dem Tagesheim abholen.«
    »Tomas«, sagte Kollberg. »Ist das nicht der Kleine?«
    »Ja. Er ist sechs. Während ich einkaufe, lasse ich ihn meist im Heim hinter der Handelshochschule. Auch beim Saubermachen ist er dort am besten aufgehoben.«
    Kollberg sah sich in der Küche um. »Sie haben doch noch

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