Und die Hölle folgte ihm nach
anstrengender Ritt gewesen. In vielen Windungen zog sich der Saumpfad die Berge hinauf, war aber ziemlich breit und viel begangen. Immer wieder kamen ihnen kleine Trupps von Händlern entgegen, die ihre bepackten Maultiere am Zügel führten. Man grüßte sich freundlich im Vorbeiziehen.Derart vielen Leuten auf dieser Bergstrecke zu begegnen, hatte Fidelma nicht erwartet.
»Wir befinden uns auf der alten Salzstraße«, erklärte ihr Magister Ado, der neben ihr ritt. Hinter ihnen kamen Schwester Gisa auf dem Packmuli und Bruder Faro auf einem fahlgrauen lebhaften Pferd. Fidelma, die sich vorzüglich auf Pferde verstand, war sofort aufgefallen, dass es sich bei dem Ross, auf dem er saß, um eine besondere Züchtung handelte: hoher Widerrist, gedrungene Rückenpartie, schmale Kruppe und tiefhängender Schweif.
»Salzstraße?«, fragte sie stirnrunzelnd. Sie hatte sich gerade nach der ihr unbekannten Pferderasse erkundigen wollen, als Magister Ados Bemerkung sie davon abbrachte.
»Diese Straße führt nach Ticinum Papia, einer Stadt weiter im Norden, jenseits der Höhenzüge hier. Die Händler schaffen Waren wie Wolle, Wein und Oliven zum Hafen an der See. Auf dem Rückweg bringen sie Salz nach Ticinum Papia. Deshalb nennen wir sie Salzstraße.«
»Und wollen auch wir nach diesem Ticinum Papia?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir werden die Nacht in einer kleinen Ortschaft verbringen, bei der die Salzstraße geradenwegs durch die Berge nach Norden abzweigt. Unser Weg hingegen führt durch ein Tal, das Tal der Trebbia heißt es, und bringt uns direkt zur Abtei Bobium.«
Fidelma hatte die Landschaft, durch die sie ritten, mit lebhaftem Interesse wahrgenommen. In mancher Hinsicht erinnerte sie sie an ihre Heimat. Die Berge waren keine hochaufragenden Felszacken, ihre Kämme zogen sich in sanften Kurven dahin und erhoben sich zu Höhen, die ihr vertraut waren. Die unteren Hänge waren mit dichten Wäldern bestanden. Sie erkannte Buche, Eberesche und Mehlbeerbaum. Auch die Farnkräuter und Adlerfarne riefen Erinnerungenwach. Mit etwas Phantasie konnte sie sich einbilden, sie wäre zu Hause. Und doch war der Gesamteindruck irgendwie anders – wahrscheinlich lag es an der fetten, rötlich-braunen Erde.
Ab und an machte sie Turmfalken und Sperber aus, die hoch oben am Himmel kreisten. Aus den dichten Waldungen hörte sie Vogelgezwitscher, mal hier, mal da, das sie aber keinem Vogel zuordnen konnte. Vielleicht spürte sie gerade dadurch, dass sie sich in der Fremde befand. Dann fiel ihre eine Eiche auf, eine Eiche war es, ja, doch die Blätter waren anders geformt.
Ihre Begleiter Magister Ado, Schwester Gisa und auch Bruder Faro hatten ein offenes Ohr für ihre Fragen über die Beschaffenheit der Berge, der Pflanzen- und Tierwelt und antworteten freundlich und geduldig. Schließlich wies Bruder Faro auf einen Berg, der sich links von ihnen in einiger Entfernung über alle anderen erhob.
»Das ist der Monte Antola. Heute Abend werden wir noch diesseits von ihm rasten, dann verlassen wir die Salzstraße und ziehen morgen weiter ins Tal der Trebbia nach Süden. Unsere Abtei liegt hoch oben auf dem Steilufer der Trebbia.«
»Die Trebbia entspringt dort hinten bei dem Monte Perla«, ergänzte Magister Ado, »und fließt dann die ganze Strecke bis zu dem riesigen Strom, den wir den Padanus nennen. Aber das ist noch ein ganzes Stück weiter nördlich von Bobium.«
Je weiter sie ritten, desto mehr gewann Fidelma den Eindruck, dass die Berge doch beträchtlich höher aufragten, als sie es von Irland gewöhnt war.
»Müssen wir bis über die Berge?«, fragte sie besorgt angesichts der schroffen Höhenzüge.
»Es gibt einen Pass«, versicherte ihr Bruder Faro, »und habenwir erst mal den erreicht, bleiben wir dort auch über Nacht.«
Tatsächlich fanden sie auf der Passhöhe eine kleine Herberge, die Unterkunft für Durchreisende bot. Sie waren nicht die Einzigen; auch einige Kaufleute, die südwärts zogen, rasteten dort. In einer warmen Ecke machten sie es sich gemütlich und tauschten sich über ihre Heimatländer aus. Magister Ado konnte gar nicht genug erfahren über das Land, aus dem Columbanus gekommen war, und Fidelma erfuhr manches über die Herkunft ihrer Weggefährten.
Schwester Gisa gehörte zu den Langobarden, sie war im Trebbia-Tal aufgewachsen. Wie Fidelma bereits bemerkt hatte, war die Schwester nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern auch klug. Wann immer sie sich zu einer Frage äußerte, tat sie das
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