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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Straßenecke«, ergänzte ich.
    »Mach dich ruhig darüber lustig! Du bist und bleibst ein Zyniker. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich etwas verändern lässt.«
    »Und wenn der Parteivorsitzende sich vor der nächsten Kommunalwahl scheiden lässt, dann geht ihr den Bach runter, egal, wie viele Silberlinden ihr beackert habt.«
    »Findest du das, was du machst, vielleicht wichtiger? Entlaufene Hunde oder Kinder suchen?«
    Ich merkte, dass die Unterhaltung in die falsche Richtung lief. Schließlich wollte ich von Höker ein paar Informationen. »Wichtiger bestimmt nicht. Aber ich mache nur das, wozu ich Lust habe.«
    »Das sieht man«, sagte Höker und deutete mit dem Bierglas auf meinen Nasenschutz.
    Eine Kellnerin brachte zwei Teller. Mein Sis Kebab sah recht ansprechend aus.
    »Friede, Höker!«, sagte ich und schob mir ein Stück Lammfleisch in den Mund. »Einigen wir uns darauf, dass wir beide versuchen, uns irgendwie nützlich zu machen.«
    Er grunzte und sabberte ein bisschen und hörte dann auf zu schmollen.
    »Hillerich«, sagte ich. »Kurt Hillerich.«
    Höker zog pfeifend die Luft ein. »Eine Ratte.«
    »Inwiefern?«
    »Hillerich ist mehrfacher Millionär. Weißt du, wie er das geschafft hat?«
    »Nein«, log ich.
    »Nehmen wir mal an«, sagte Höker und faltete seine Serviette auseinander, »das hier ist ein Acker. Der Acker liegt innerhalb des Stadtgebietes, in der Nähe einer großen Straße. Es besteht durchaus eine Chance, dass aus dem Acker Baugebiet wird. Vielleicht in ein oder zwei Jahren, vielleicht aber auch erst in fünf Jahren. Du gehst also hin und bietest dem Bauern das Doppelte oder Dreifache von dem, was er für den Acker als Acker bekommen würde. Ist der Acker zu Baugebiet erklärt, kannst du leicht das Zwanzigfache verlangen.«
    »Wenn ich Bauer wäre, würde ich warten, bis mein Acker zu Baugebiet erklärt wird, und dann iselber das Zwanzigfache verlangen.«
    »In diesem Fall würdest du auf deinem Acker sitzenbleiben. Du müsstest zusehen, wie die Äcker rund um deinen zu Baugebieten erklärt werden. Nur dein Land bleibt landwirtschaftliche Nutzfläche.« Höker kaute mit der linken Mundseite und benutzte die rechte zum Sprechen. »Das ist eine vereinfachte Darstellung. Natürlich kauft Hillerich nicht selbst. Dafür hat er seine Leute. Er weiß halt nur, wo die nächsten Baugebiete entstehen.«
    »Ich dachte, so etwas diskutiert ihr im Stadtrat.«
    »Wir sind Amateure, die Politik nach Feierabend machen. Wir können nur das diskutieren, was uns die Verwaltung vorsetzt. Und auf einen Strich, den wir durch Hillerichs Rechnung machen, kommen vier Lottogewinne. Einen gewissen Schwund kalkuliert er ein.«
    »Wie kann er so sicher sein?«
    »Er hat bei der Stadtverwaltung seine Leute. Unter anderem ist sein Schwager dort ein hohes Tier. In der Politik nennt man das Filz. Manche sagen auch Mafia, aber ich halte das für zu hoch gegriffen.«
    »Ist noch kein Bauer auf den Gedanken gekommen, mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen?«
    »Bauern sind in den seltensten Fällen dumm. Würde dein standhafter Bauer an die Öffentlichkeit gehen, wäre die Chance, dass aus seinem Acker Bauland wird, gleich null. Da verkauft er lieber, wenn auch mit einem bescheidenen Gewinn, an Hillerich. Aber angenommen, der Bauer ist stur und hat einen Hass auf Hillerich entwickelt. Er geht also zu einer münsterschen Tageszeitung. Ich garantiere dir: Kein Satz von seiner Geschichte wird gedruckt.«
    »Weil Hillerich die besten Beziehungen zur Zeitung hat.«
    »Eben. Gehen wir weiter davon aus, dass unser Bauer jetzt erst richtig wütend wird und ein Flugblatt drucken lässt. Dann wird er von Hillerich wegen übler Nachrede angezeigt. Denn Hillerich hat nur unter vier Augen mit ihm verhandelt. Ergo kann der Bauer vor Gericht keinen Zeugen beibringen.«
    Höker nahm die Serviette und wischte sich mit ihr den Mund ab.

VIII
     
     
    Am nächsten Morgen war ich noch vor der Sonne auf den Beinen. Es trieb mich hinaus zum Horstmarer Landweg, vorbei an Wohntürmen, in denen Studenten, in Neun-Quadratmeter-Zimmern gestapelt, von kommenden Privilegien träumten.
    Hinter den Wohnheimen verengte sich die Straße. Rechts standen beinahe zweiglose Fichten dicht nebeneinander, während links ein kleines Industriegebiet auf den Arbeitsbeginn wartete. Eigentlich hatte ich vorgehabt, meinen Wagen unauffällig in der Nähe der Pobradt Hoch- und Tiefbau zu parken. Doch dazu hätte ich ihn mit einem

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