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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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ganzen Morgen gefolgt sind?«
    Ich schluckte.
    »Dieses dumme Geschwätz vom entfernten Verwandten können Sie einem Blödmann erzählen, aber nicht mir. Sie wollen mich aushorchen, und zwar zum Nulltarif. Das läuft bei mir nicht.«
    Ich verstand die Botschaft, holte den vorsorglich in der Jackentasche verstauten Fünfzigmarkschein heraus und schob ihn unter seinen Bierdeckel.
    »Wer redet denn von Nulltarif. Für gute Informationen zahle ich.«
    »Das ist etwas anderes«, sagte er und steckte den Fünfzigmarkschein ein. »Es gab ihn. Er war nach dem Unglück eine Zeit lang die rechte Hand der Chefin. Bis sie sich verkrachten und sie ihn rausschmiss.«
    »Name?«
    »Das kostet extra.«
    Nun musste ich doch zum Portemonnaie greifen. Ich hatte ihn einfach unterschätzt. Nachdem der zweite Fünfziger in seiner speckigen Lederjacke verschwunden war, sagte er: »Werner Meyer, mit e – y.«
    »Wo finde ich ihn?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich bin doch nicht der stern «, protestierte ich.
    »Ich weiß es wirklich nicht«, knurrte er und stieß beim Aufstehen mit dem Bauch unter die Tischkante. »Schönen Tag noch!«
    Da saß ich vor meinem kalt gewordenen Hamburger und war um eine Information reicher. Die hundert Mark konnte ich ja auf die Spesenrechnung setzen. Während ich die gummiartigen Pommes kaute, beschlich mich der Verdacht, dass der Dicke das Treffen in der Imbissstube extra für mich arrangiert hatte. An anderen Tagen verließ er seinen Laster garantiert nicht.
     
    Nach dem Essen fühlte ich mich miserabel. Zum Teil gab ich dem Küchenchef die Schuld, zum Teil meinem unausgeschlafenen Zustand. Ich beschloss, eine längere Mittagspause einzulegen, und fuhr nach Hause. Im Briefkasten fand ich ein Glückslos, eine Einladung zu einer Kaffeefahrt und einen Drohbrief. Seine Botschaft war kurz und maschinengeschrieben. Sie lautete: Letzte Warnung.
    Mit dem Drohbrief ging ich ins Schlafzimmer und schlief nach kurzer Zeit ein. Als ich aufwachte, fühlte ich mich schon besser. Ich nahm den Brief, der neben mir im Bett lag, und starrte auf die beiden Wörter. Die ganze Sache gefiel mir überhaupt nicht. Egal, ob der Brief von Katharinas Bruder, von Hillerich oder von Merschmann stammte, auf ihre Art waren alle drei unangenehm. Und zusammen konnten sie einem kleinen Privatdetektiv das Leben ziemlich schwer machen.
    Ich wälzte mich aus dem Bett und legte eine Platte von Leonhard Cohen auf. Der alte Melancholiker brummte sich den Weltschmerz von der Seele und ich fühlte mit ihm. Durch die staubigen Küchenfenster rieselten die letzten Sonnenstrahlen. Es war Zeit, an die Arbeit zu gehen.
    Ich zog meinen schwarzen Trainingsanzug an und nahm aus dem Keller das nötige Werkzeug mit. Als ich den kleinen Parkplatz erreichte, war es bereits stockdunkel. Das Firmengelände wurde von einer Art Flutlichtanlage beleuchtet, die mir die Arbeit wesentlich erleichterte. Ordentlich und vermutlich nach Vorschrift begann der Nachtwächter zu jeder vollen Stunde seinen Rundgang. Ich beobachtete ihn so lange, bis ich sicher war, in welcher Reihenfolge er die Stationen ablief. Wenn ich es geschickt anstellte, hatte ich eine knappe Stunde Zeit.
    An der abgelegensten Stelle kletterte ich den Drahtzaun hinauf, der das Firmengelände umgab. Oben hatte man noch NATO-Draht gezogen, dem ich erst mit einer Drahtschere zu Leibe rücken musste, bevor ich mich auf der anderen Seite herunterlassen konnte. Dann versteckte ich mich unter einem der Laster. Sollte der Nachtwächter bei seinem Plan bleiben, musste er gleich den Rundgang antreten.
    Tatsächlich kam er wenige Minuten später aus der Baracke neben der Einfahrt. Sein Weg führte zunächst zu dem Geräteschuppen, an dessen Türknöpfen er wie wild rüttelte. Nun umkreiste er, allerdings in gebührendem Abstand, die Lastwagen, um anschließend auf das Verwaltungsgebäude zuzusteuern. Ich gab ihm zehn Minuten, in denen er das Gebäude umlaufen und alle Gänge im Innern besichtigen sollte. Dann machte ich mich auf den Weg.
    An der rückwärtigen Front des Verwaltungsgebäudes wählte ich ein ebenerdiges Fenster, setzte einen Gummisauger neben den Griff und schnitt mit dem Glasschneider ein passendes Loch. In weniger als einer Minute war ich im Haus.
    Bis dahin hatte es wie ein Kinderspiel ausgesehen. Doch die Probleme fingen jetzt erst an. Die Türen waren nummeriert, aber ohne Funktionsangabe, und eine nach der anderen aufzubrechen, schien mir etwas zu aufwendig. Unschlüssig wanderte ich durch das

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