und ein Kater mit Koepfchen
angeguckt, wenn ich mal etwas ausgefressen hatte, es aber nicht zugeben wollte. Ich erinnere mich so gut daran, als wenn er mich heute Morgen das letzte Mal so angesehen hätte. Plötzlich muss ich auch an sein Grübchen unten am Kinn denken.
„Das ist wie ein kleiner See“, hat Mama kichernd gesagt, als ihm einmal seine eigene Spucke hineingelaufen ist.
Im gleichen Augenblick fühle ich einen schrecklichen Stich in meiner Brust. Papas Grübchensee und seine braunen Augen fehlen mir ganz schrecklich. So, wie überhaupt der ganze Papa. Ich merke, wie sich mein Gesicht verzieht, als ob ich einen Krampf hätte. Das fühlt sich total ekelhaft an. Ich sehe Kassia nur noch ganz verschwommen, weil meine Augen voller Tränen sind.
„Wieso schneidest du so eine grässliche Grimasse und heulst dabei?“, fragt Kassia ruppig, aber irgendetwas in ihrer Stimme klingt anders als sonst, wenn sie mit mir zankt, und ich mag nicht gleich wieder lospoltern.
„Ich brauche keinen neuen Papa. Ich möchte unseren Papa wiederhaben“, antwortet mein Mund und ich schluchze los. Ich fühle mich, als ob das gar nicht ich wäre, die da spricht und weint, und höre mir ganz erschrocken zu.
„Welcher neue Papa? Meinst du etwa Herrn Pfeffer?“, fragt Kassia heftig. „Wie kommst du denn auf den Mist? Es gibt auf der ganzen Welt keinen anderen Papa außer unserem Papa. Ende der Diskussion.“
Mir laufen die Tränen wie ein Gebirgsbach über die Wangen, aber wenigstens kann ich Kassia wieder sehen. Sie heult ebenfalls. Das ist echt ein Ding. Sie weint nämlich nie.
„Dann ist es ja eigentlich gut, wenn ab heute diese Katrin heiße Schokolade für Herrn Pfeffer kocht“, sage ich schließlich mit weinerlicher Stimme. „Nicht dass Herr Pfeffer da was missversteht und denkt, nur weil Mama ihm seinen Lieblingskuchen backt und mit ihm ins Restaurant geht, ist er plötzlich unser neuer Vater.“
Kassia nickt eifrig. „Du hast Recht. Das ist wirklich viel besser. Alles soll so bleiben, wie es ist.“ Sie zeigt mit dem Daumen nach oben.
Unglaublich!
Meine Besserwisser-Schwester hat mir Recht gegeben, einfach so. Ich muss den heutigen Tag unbedingt auf unserem Kalender anstreichen, der in der Küche hängt. Denn das kommt bestimmt in hundert Jahren nicht mehr vor.
„Das heißt aber nicht, dass du Jonas nicht mehr küssen solltest“, legt Kassia in diesem Moment nach. „Wir müssen ja nicht alle Pfeffers an die Berlin-Familie abgeben. Und schon gar nicht an diese eingebildete Lotta. Oder möchtest du ab jetzt lieber mit Linus befreundet sein?“
Das ist typisch meine Schwester. Kaum findet man sie mal eine Minute nett, geht sie einem in der nächsten doppelt auf den Geist. Wenn sie nicht auf der Stelle mit ihrer bescheuerten Kuss-Wahnidee aufhört, drehe ich durch.
Ich schüttle heftig den Kopf. „Das will ich auf gar keinen Fall. Weder das eine noch das andere. Und jetzt muss ich dringend mit Herrn Schiller die neuen Songs einüben, die ich geschrieben habe.“
Ich stürme die Treppe hinauf und stelle dabei einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Drei Stufen auf einmal, das habe ich noch nie geschafft.
Herr Schiller sitzt ganz oben auf dem Treppengeländer und lässt mich nicht aus den Augen.
„Komm Süßer, es gibt Arbeit“, rufe ich ihm zu und schnippe mit zwei Fingern. Das Zeichen habe ich ihm beigebracht, als wir als Schulband aufgetreten sind.
Seltsamerweise reagiert er nicht.
Ich schnippe noch einmal. „Die neuen Songs sind cool! Richtig fies!“ Ich mache ein paar Tanzschritte vor ihm.
Herr Schiller dreht sein Köpfchen weg und guckt so gelangweilt an die Decke, als wäre ich Luft für ihn.
Boah, jetzt langt es mir aber bald. Sind heute eigentlich alle total crazy? „Los!“, sage ich energisch und strecke den Arm aus, um ihn mir zu schnappen.
Im gleichen Moment breitet meine Krähe ihre Flügel aus und segelt davon.
Ich gucke Herrn Schiller verblüfft hinterher. Grübelnd verschwinde ich in meine Dachkammer. Aber so lange ich auch nachdenke: Ich finde einfach keine Erklärung dafür, warum Herr Schiller mich links liegen lässt.
Kassia will ich auf keinen Fall um Rat fragen. Eine Besserwisser-Dosis pro Tag reicht mir. Und Mama, die Spezialistin für eingeschnappte Tiere, ist immer noch nicht von dem nervenkranken Meerschweinchen zurück. Außerdem bin ich nicht sicher, was ich ihr alles erzählen soll. Wenn sich ein Tier komisch verhält, muss Mama von seinem Besitzer haargenau wissen, was in den Stunden oder
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