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Und eines Tages kommt das Glück

Und eines Tages kommt das Glück

Titel: Und eines Tages kommt das Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheila O'Flanagan
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Aber ich brauche dich.«
    Und wo warst du, als ich dich gebraucht habe? dachte Romy. Im Kosmetiksalon, beim Friseur und dabei, meinen Freund ins Gebüsch zu zerren …
    »Aber das Leben ist nicht nur schwarz oder weiß«, fuhr Veronica fort. »Ich weiß, dass ich Dinge getan habe, über die du dich geärgert hast. Ich weiß, dass du wegen der Scheidung und wegen … wegen … Perry sehr niedergeschlagen warst.« Der Name kam ihr offenbar nicht leicht über die Lippen. »Aber ich hatte nie die Absicht, dir damit wehzutun. Niemals.«
    »Das alles spielt doch jetzt keine Rolle mehr«, erwiderte Romy müde.
    »Doch, das tut es!«, rief Veronica. »Ich will nicht, dass du mich für eine schreckliche Mutter hältst.«
    Romy hatte ihr ganzes Leben damit zugebracht, Veronica für eine schreckliche Mutter zu halten.
    »Du bist keine schreckliche Mutter«, sagte sie nun.
    »Wenn ich sterbe …« Ängstlich schaute Veronica sie an. »Wenn ich sterbe, dann will ich nicht …«
    »Mutter, du hast Nierensteine. Daran stirbt man nicht.«
    »Vielleicht doch«, meinte Veronica kleinlaut. »Vielleicht sterbe ich, und dann behältst du mich für immer als diese grässliche Person in Erinnerung.«

    »Das werde ich nicht.«
    »Doch, das wirst du.«
    »Na gut, wie du willst.« Romy hatte nicht mehr die Kraft, Veronica weiter aufzubauen. »So wird es kommen. Wenn dich das glücklicher macht.«
    Veronica wurde blass.
    Jetzt verspürte Romy doch Schuldgefühle. Ihre Mutter war krank, und sie benahm sich wie ein kleines Kind. Gut möglich, dass Veronica eine schreckliche Mutter war, aber das hieß nicht, dass Romy auch eine schreckliche Tochter sein musste.
    »Es tut mir leid, Mam.« Ohne lange zu überlegen, beugte sie sich vor und nahm ihre Mutter in den Arm. »Jetzt komm schon, du bist bald wieder gesund.«
    Veronica klammerte sich an sie. »Versprich mir, dass du mich nicht allein lässt.«
    »Ich lass dich nicht allein«, sagte Romy. »Ich bleibe noch eine Weile hier. Das verspreche ich dir.«
    Schließlich lockerte Veronica ihren Griff, und Romy erklärte ihr, dass sie jetzt gehen müsse, am nächsten Tag aber ganz bestimmt wiederkommen würde. Und danach jeden Tag, bis es ihr wieder besser ging.
    Wie schön, allein zu sein, dachte Romy nun, weit weg von all dem Drama, das Veronica stets um sich herum zu verbreiten schien. Romy war gern für sich. Bei den Ausgrabungen war sie fast immer gezwungen, entweder ein Haus oder eine Wohnung (manchmal sogar ein Zelt) mit den verschiedensten Leuten zu teilen. Obwohl ihr das nichts ausmachte, hatte es durchaus etwas für sich, sein eigenes Reich zu haben und zu wissen, dass niemand unerwartet auftauchen und einen stören konnte.
    Romy schob die Gedanken an ihre Mutter beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf die Vergangenheit. Diese Zeitreisen waren ihre Art, dem Druck der Gegenwart zu entfliehen, ihr individueller Verdrängungsmechanismus. Dabei wandte sie
sich jedoch nicht ihrer persönlichen Vergangenheit zu, sondern ging weit zurück in die Geschichte. Sie versuchte dann immer, sich auszumalen, wie ihre jeweilige Umgebung im Lauf der Jahrhunderte wohl ausgesehen haben mochte, und stellte sich all die Menschen vor, die vor langer Zeit an derselben Stelle wie sie jetzt gesessen hatten und mit ihren unterschiedlichen, individuellen Sorgen beschäftigt gewesen waren.
    Rathfarnham wurde  – soweit Romy wusste  – das erste Mal im Jahr 1199 schriftlich erwähnt, doch bereits lange zuvor hatte hier ein Fort existiert. (Das irische Wort für Fort lautete schließlich rath .) Als Kind hatte Dermot Romy einmal auf eine Tour durch das Schloss mitgenommen und ihr gewaltige Angst eingejagt mit seinen Geschichten über die Attacken der unterschiedlichsten Clans, die versuchten, das Schloss unter ihre Kontrolle zu bringen.
    »Damals, im Jahr 1649«, hatte er ihr erzählt, als sie in der hügeligen Landschaft standen und auf das Schloss zurückblickten, »damals war das Schloss von den Royalisten belagert und erstürmt worden, aber später hat sich die Armee nach Kilkenny zurückgezogen.«
    »Wir heißen doch Kilkenny«, hatte sie gesagt, stolz, dass ihr Name Teil der Geschichte war.
    »Richtig.« Dermot hatte gelacht, sie hochgehoben und herumgewirbelt. »Deine und meine Wurzeln, Romy, reichen bis weit in die Vergangenheit zurück.«
    Aber natürlich begann die Geschichte von Rathfarnham nicht erst mit den Schlachten im siebzehnten Jahrhundert, sie begann weit vor dem Bau des Forts und

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