Und eines Tages kommt das Glück
mich los zu sein, aber vielleicht … Sie strich sich über den Nacken. Bei Veronica konnte man nie wissen. Sie hätte ihre Mutter nie für einen einsamen Menschen gehalten, aber vielleicht war sie das – zumindest manchmal.
Und jetzt wusste Romy, dass sie offensichtlich von verschiedenen Ängsten geplagt wurde.
Romy hatte ihre Mutter nie zuvor als ängstlichen Menschen erlebt. Aufgebracht und verärgert, das ja, meistens wegen Dermot (und natürlich war sie auch regelmäßig wütend auf Romy gewesen). Aber wann immer Veronica sich über etwas geärgert hatte oder traurig gewesen war, hatte sie sich schick angezogen, ihren teuersten Schmuck angelegt und war mit Freunden ausgegangen. Danach war sie stets bester Laune zurückgekehrt und hatte demjenigen ihrer Kinder, das gerade anwesend war, erklärt, wie wichtig es sei, Spaß im Leben zu haben. Romy hatte ihr diesen Spaß stets verübelt, weil sie den auch ohne Dermot hatte, und Kathryn hatte nur desinteressiert abgewunken. Sie verstand unter einem amüsanten Abend die Beschäftigung mit einem besonders kniffligen Buchhaltungsproblem. Nur Darragh hatte seine Mutter ermutigt, es sich gut gehen zu lassen, und als er Giselle geheiratet hatte, waren die beiden Frauen auch manchmal zusammen ausgegangen, etwas, das Veronica weder mit Romy noch mit Kathryn jemals getan hatte.
Romy war überzeugt, dass Veronica ihren Sinn für Lebensfreude bald wiederfinden würde. Trotzdem hatte sie bei ihrem Besuch am Vormittag feststellen müssen, dass ihre Mutter – obwohl es ihr körperlich besser ging – nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Sie hatte auf jegliches Make-up verzichtet und als einzigen Schmuck den Smaragdring getragen, den sie sich nach der Scheidung von Dermot selbst gekauft hatte und anstelle eines Eherings trug. Der Smaragd war natürlich kurzzeitig von einem Ehering aus Weißgold mit Diamanten ersetzt worden, den Larry ihr geschenkt hatte. Doch nach der zweiten Scheidung war sie wieder zu dem Smaragdring zurückgekehrt.
Schönheit konnte sowohl ein Fluch als auch ein Segen sein, dachte Romy. Wenn Veronica in ihrer Jugend nicht so schön gewesen wäre, dann wäre sie vielleicht jetzt nicht so von ihrem Aussehen besessen. Und wenn sie sich noch so sehr anstrengte – Romy konnte einfach nicht begreifen, was an ein paar Falten so schlimm sein sollte. Aber vielleicht wäre das anders, wenn sie die Falten hätte. Vielleicht konnte man nur dann locker und entspannt damit umgehen, solange man selbst jung, die Haut makellos und Falten ein Thema für die Zukunft waren.
Regengeprassel am Fenster ließ Romy hochschrecken. Der milde Spätfrühling hatte sich plötzlich in einen frühen Winter verwandelt, der Wind wurde von Minute zu Minute stärker und der Regen intensiver. Romy fröstelte und ging wieder nach unten.
Nachdem sie die Flasche Wein ausgetrunken hatte (natürlich keine ganze Flasche, nur den Rest, der vom Vortag noch übrig gewesen war, wie sie sich treuherzig bescheinigte), ging sie gegen elf Uhr ins Bett. Und zehn Minuten später war sie fest eingeschlafen.
Es war das Schrillen der Alarmanlage, das jäh den Nebel aus Müdigkeit und Alkohol durchdrang und sie aus dem Schlaf riss. Romy blinzelte verwirrt, und ihr Herz fing zu rasen an, als sie den speziellen Ton erkannte. Gleich darauf brach das Geräusch abrupt wieder ab. Romy schaute auf den Wecker neben ihrem Bett.
Es war kurz nach ein Uhr. Der Wind wütete noch immer, und der Regen prasselte gegen ihr Schlafzimmerfenster, und Romy überlegte, ob vielleicht der heftige Sturm den Alarm ausgelöst haben könnte. Aber wieso war er dann ebenso plötzlich wieder verstummt?, dachte sie ängstlich.
Sie richtete sich im Bett auf, zog die Steppdecke bis unter das Kinn und ging im Geist alle Möglichkeiten durch. Am wahrscheinlichsten war, dass der Wind den Alarm ausgelöst hatte. Vielleicht gab es ja eine automatische Ausschaltvorrichtung. Aber wozu? Das ergab keinen Sinn. Einziger Sinn und Zweck einer Alarmanlage war schließlich der, Lärm zu machen. Also hatte sie vielleicht jemand ausgeschaltet.
Bestimmt die Einbrecher, die jetzt gerade dabei sind, das Haus auszuräumen, dachte Romy zitternd.
Veronica würde durchdrehen, wenn sie erfuhr, dass bei ihr eingebrochen worden war. Zusätzlich zu dem Problem mit ihrem kranken Rücken und den Nierensteinen würde sie noch die Tatsache verkraften müssen, dass einige ihrer heiß geliebten Schätze gestohlen worden waren. Wenn es ihr jetzt schon
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