Und eines Tages kommt das Glück
miserabel ging, würde es ihr danach doppelt so schlecht gehen!
Ich muss die Polizei verständigen, dachte Romy. Ich muss etwas unternehmen. Sie tastete nach dem schnurlosen Telefon, aber es war nicht da. Auch ihre Handtasche fehlte. Einen schrecklichen Moment lang befürchtete sie, dass die Einbrecher bereits in ihrem Zimmer gewesen waren. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie ihre Tasche samt Handy neben der leeren Weinflasche auf der Küchentheke hatte liegen lassen, bevor sie ins Bett getorkelt war.
Du dummes Ding, schalt sie sich. Das hast du nun davon, dass du dir zu viel Wein genehmigst und dabei noch einredest, du hättest gar nicht so viel getrunken. Wie dumm von dir! Sie war machtlos. Die Einbrecher konnten jeden Moment nach oben kommen und sie hier entdecken. Und was dann? Romy spürte,
wie ihr Herz noch schneller klopfte und sich plötzlich ein fauliger Geschmack nach Angst in ihrem Mund ausbreitete.
Unten in dem Gästezimmer, in dem Veronica momentan schlief, gab es noch einen Telefonanschluss. Der Raum lag gleich neben der Treppe, und die Einbrecher waren wahrscheinlich viel zu sehr mit den Schätzen im Wohnzimmer beschäftigt, um sich darum zu kümmern. Romy holte tief Luft, stand auf und wickelte sich in ihren dünnen Morgenmantel. Dann öffnete sie die Schranktür. Als sie bei ihrer Ankunft ihre Reisetasche ausgepackt und die Sachen hier verstaut hatte, hatte sie erstaunt bemerkt, dass ihr alter Hockeyschläger ganz hinten in der Ecke lag. Romy war keine gute Hockeyspielerin gewesen, aber das Fach hatte nun mal auf dem Lehrplan gestanden. Sie hatte am Unterricht teilnehmen müssen, bis sie eines Tages mit einer Mannschaftskameradin in Streit geraten und völlig aufgelöst, mit aufgeplatzter Lippe und blauem Auge, nach Hause gekommen war. Veronica hatte ihr verboten, jemals wieder Hockey zu spielen. Romy hatte so getan, als würde sie sich über das Verbot fürchterlich ärgern, war ihrer Mutter aber insgeheim dankbar gewesen, weil sie es satthatte, von Mitspielerinnen, die ihr physisch und mental überlegen waren, verprügelt zu werden. Aber das Verbot hatte ihr eine weitere Ausrede geliefert, schmollend und schlecht gelaunt zu Hause herumzulaufen und Veronica auch noch für ihre Stimmung verantwortlich zu machen. Als Romy den Hockeyschläger entdeckt hatte, hatte sie sich gewundert, weshalb Veronica ihn nicht weggeworfen hatte, doch jetzt war sie froh darüber.
Mit dem Schläger in der Hand schlich sie auf Zehenspitzen bis zum Treppenabsatz und redete sich selbst Mut zu.
Im Vorraum brannte Licht. Was für eine Unverfrorenheit von diesen Menschen, in fremde Häuser einzubrechen und auch noch Licht zu machen, empörte sich Romy. Vielleicht waren sie im Drogenrausch, fiel ihr plötzlich siedend heiß ein. Wenn, dann sollte sie ihnen besser aus dem Weg gehen. Also würde sie sich
nur rasch in das Gästezimmer schleichen und von dort aus die Polizei verständigen.
Leise huschte Romy die Treppe hinunter, blieb aber auf halbem Weg wie erstarrt stehen, als sie Schritte aus der Küche hörte. Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Und dann ging die Tür auf. Romys Herz klopfte ihr bis zum Hals. Als sie eine Gestalt aus dem Zimmer kommen sah, hob sie den Hockeyschläger und stieß beherzt einen lauten Schrei aus. Als sie dabei einen Schritt nach vorn machte, trat sie aus Versehen auf den Gürtel ihren Bademantels und schrie erneut laut auf (dieses Mal unfreiwillig). Noch ehe sie begriff, wie ihr geschah, rollte sie bereits die Treppe hinunter und kam vor der untersten Stufe zum Liegen, während neben ihr der Hockeyschläger mit einem dumpfen Aufprall zu Boden fiel.
Ich bin verloren, dachte sie, als sie atemlos auf dem polierten Parkett lag. Man wird mich mit meinem eigenen Hockeyschläger zu Tode prügeln, und wenn Veronica nach Hause kommt, wird sie meinen zerschmetterten, blutüberströmten Körper vorfinden. Romy presste fest die Augen zusammen und versuchte, nicht an die ihr bevorstehenden Qualen zu denken.
»Romy! O mein Gott! Hast du dir etwas getan?« Die Stimme war voller Angst.
Es dauerte einen Moment, bis Romy registrierte, was geschehen war, aber dann öffnete sie langsam und erleichtert die Augen.
»Kathryn?« Mühsam richtete sie sich auf. »Was treibst du denn hier?«
»Mach langsam«, ermahnte ihre Schwester sie. »Du bist schlimm gestürzt. Alles in Ordnung?«
»Ich glaube schon.« Romy bewegte probeweise ihre Gliedmaßen und stellte dankbar fest, dass sie sich nicht wehgetan hatte.
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