Und eines Tages kommt das Glück
fort.
»Dieses schmalbrüstige Ding? Was versteht die schon von solchen Sachen.«
In dem Moment traten Darragh und Giselle ins Zimmer, und plötzlich lebte Veronica sichtlich auf. Giselle hatte Veronicas Lieblingsparfüm mitgebracht, und Darragh eine Schachtel mit teuren Pralinen. Romy war überhaupt nicht auf die Idee gekommen, etwas mitzubringen, und schämte sich nun, dass sie mit leeren Händen erschienen war. Erst als Veronica Darragh erklärte, dass sie noch nichts essen dürfe und dass die Pralinen deshalb leider an sie verschwendet seien, fühlte Romy sich geringfügig besser.
»Wie lange rechnest du damit, im Krankenhaus bleiben zu müssen?«, fragte Darragh.
Veronica schloss die Augen und schlug sie langsam wieder auf.
»Drei Tage.«
»Mam! Dr. Jacobs hat gesagt, mindestens vier«, erinnerte Romy sie. »Wahrscheinlich sogar sechs Tage.«
»Ich will aber keine sechs Tage hierbleiben.«
»Es hat überhaupt keinen Sinn, zu früh nach Hause zu gehen«, fügte Romy hinzu. »Du willst doch sicher sein, dass alles in Ordnung ist, oder?«
»Du willst mich wohl nicht daheim haben.«
In Veronicas Bemerkung steckte durchaus ein Körnchen Wahrheit.
So merkwürdig es sich momentan auch anfühlen mochte, ganz allein im Haus zu sein, die Zeit mit Veronica hatte Romy viel Kraft gekostet. Beide hatten sich bemüht und versucht, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken, die jedoch nur zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen war, dass sie in fast jedem Punkt anderer Meinung waren. Gleich am ersten Morgen, als Romy nach einem tiefen und traumlosen Schlaf die Treppe heruntergekommen war, hatte Veronica sie angefahren und gefragt, wann sie denn gedenke, sich endlich anzuziehen. (Veronica selbst hatte über einer weißen Stoffhose ein königsblaues T-Shirt getragen, dazu einen schmalen Gürtel aus Schlangenleder und ein paar passende Slipper.)
»Ich bin angezogen!« Romy schaute an sich herunter auf ihr blassgrünes T-Shirt und die lose sitzende Cargohose, ein in ihren Augen praktisches und legeres Outfit.
»Für eine Ausgrabung vielleicht«, sagte Veronica, »aber sonst kannst du damit nirgendwohin gehen.«
»Das passt für jede Gelegenheit.«
»Ich wollte eigentlich, dass du mich zum Einkaufen begleitest«, fuhr Veronica fort. »Aber so, wie du aussiehst, können wir unmöglich zum Shoppen gehen.«
Romy hatte protestiert, aber nur halbherzig. Letztendlich hatte sie nachgegeben und ein Paar Jeans (teure Markenjeans, die Romy reduziert bei einem Ausverkauf erworben hatte, damit Veronica sich nicht beklagen konnte) und ein Top mit V-Ausschnitt in einer neutralen Farbe angezogen. Veronicas Anspielung auf ein bisschen Farbe im Gesicht hatte sie allerdings ignoriert und war mit ihrer Mutter in das Dundrum Town Centre gefahren, wo Veronica – auch wenn sie nur langsam gehen konnte – darauf bestand, in jedem Stockwerk die eine oder andere Boutique aufzusuchen. Romy wäre vor Langeweile fast gestorben, vor allem, als Veronica bei Harvey Nicks ihre Meinung zu drei identischen Blusen wissen wollte.
»Die Blusen sind aber nicht identisch«, behauptete Veronica stur. »Sie unterscheiden sich im Detail sogar sehr.«
Das war der bisher schlimmste Tag für Romy gewesen, doch die darauffolgenden Tage wurden auch nicht viel besser. Wann immer Veronica eine Bitte äußerte – und es waren nicht wenige –, fügte sie mit Leidensmiene hinzu, dass sie ihrer Tochter nun wirklich nicht zur Last fallen wolle. Und ständig war die Spannung zu spüren, die in den vergangenen sieben Jahren zwischen Romy und ihrer Mutter geherrscht hatte, über die aber keine von beiden sprach.
Romy hatte es an diesem Morgen ungemein genossen, in ihrem alten grauen Schlafanzug die Treppe herunterzukommen, ohne sich eine Predigt darüber anhören zu müssen, wie eine angemessene Nachtwäsche auszusehen habe. Und ohne eine Diskussion über Giselles Schwangerschaft (Veronica war außer sich vor Freude, was Romy ein wenig seltsam fand, da ein zweites Enkelkind sie sicherlich um einiges älter wirken ließe!) und den unvermeidlichen Kommentar, wie fantastisch Giselle immer aussah, hatte ihr der Kaffee gleich doppelt so gut geschmeckt. Am ersten Tag hatte Romy noch mit der flapsigen Bemerkung darauf reagiert, dass auch sie großartig aussehen könne, wenn sie von einem vermögenden Gatten ausgehalten werden würde und sich keine größeren Sorgen machen müsse als die, für welche Lippenstiftfarbe sie sich entscheiden solle! Nicht dass ihr
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