Und eines Tages kommt das Glück
luxuriöser,
als sie erwartet hatte. Sie musste dabei an das schicke Restaurant in Australien denken und verspürte einen kurzen Anflug von Einsamkeit. (Nicht unbedingt wegen Keith, obwohl es natürlich tausendmal schöner gewesen wäre, mit ihm hier zu sitzen statt mit Darragh und Giselle, aber doch mit einem Menschen wie ihm, einem Menschen, dem sie etwas bedeutete.) Romy rutschte auf ihren Platz, mit dem Rücken zur Wand, und hoffte, dass niemandem ihre mangelnde Eleganz aufgefallen war, sondern dass stattdessen Giselles Schönheit alle Blicke auf sich gezogen hatte.
Nach einem Blick in die Speisekarte bestellte sie sich als ersten Gang Suppe und danach Fleischpastete.
»Für mich einen grünen Salat«, sagte Giselle und schloss die Speisekarte. »Keine Vorspeise.«
Mann, dachte Romy, kein Wunder, dass sie so dünn ist.
Erleichtert hörte sie, dass auch Darragh die Fleischpastete bestellte; es wäre schrecklich gewesen, es sich als Einzige schmecken zu lassen. Dabei fiel ihr wieder ein, dass auch Darragh eine Vorliebe für deftige Küche hatte. Also hatte sie doch etwas mit ihrem Halbbruder gemeinsam! Romy grinste.
»Was ist so lustig?«, fragte Giselle.
»Ach, ich habe gerade an das letzte Mal gedacht, als ich mit Darragh zu Abend gegessen habe.«
»Das ist schon Jahre her«, warf Darragh hastig ein. Romy schaute ihn überrascht an, und ihr wurde klar, dass Darragh Giselle nichts von den verbotenen Beefburgern und den Pommes frites erzählt hatte, und sie konnte sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen.
»Lass mich doch mitlachen«, bat Giselle.
»Es ist nicht wichtig. Ehrlich.« Aber Romy konnte nicht aufhören zu grinsen.
»Also, ich habe gefunden, dass Mam eigentlich recht gut aussah, den Umständen entsprechend«, meinte Darragh und lenkte das Gespräch auf ein für ihn sicheres Terrain.
»Ja, doch.« Romy machte wieder ein ernstes Gesicht und wandte sich dem neuen Thema zu. »Aber sie hat noch immer ziemlich starke Schmerzen.«
»Die Ärzte haben doch gesagt, dass damit zu rechnen ist.«
»Sie wird sicher eine ganze Weile Hilfe brauchen«, sagte Giselle.
»Ich weiß«, erwiderte Romy. »Deswegen bin ich schließlich hier.«
»Ich hätte mich ja um sie gekümmert«, fuhr Giselle fort. »Aber in meinem Zustand ist das leider nicht möglich.«
Romy glaubte – war sich aber nicht sicher –, einen leisen Unterton der Erleichterung aus Giselles Stimme herauszuhören. Sie hätte es ihrer Schwägerin nicht einmal verdenken können. Es war eine Sache, Veronica hin und wieder zu besuchen oder mit ihr gemeinsam etwas zu unternehmen, aber sie versorgen zu müssen, das stand auf einem anderen Blatt.
»Hast du eigentlich mit Kathryn gesprochen?«, fragte Darragh unvermittelt.
»Ich habe ihr eine SMS geschickt, als Mam aus dem OP kam.«
»Sie hat mir nämlich letzte Nacht eine E-Mail geschrieben und angekündigt, dass sie vielleicht für ein paar Tage kommen wird.«
»Ich dachte, sie wäre viel zu beschäftigt, um ihren wichtigen Job und ihren Mann allein zu lassen.« Romy wusste, dass sie schnippisch klang, aber sie konnte nicht anders.
»Jetzt übertreib mal nicht«, meinte Darragh. »Eine kurze Stippvisite müsste schon drin sein. Und ich bin sicher, dass Mam sich sehr freuen wird, sie zu sehen.«
»Erzähl uns doch mal was über deine Arbeit, Romy«, bat Giselle und brach damit das betretene Schweigen, das sich nach Darraghs Bemerkung über den Tisch gesenkt hatte. »Was gibt es Neues aus der Knochengräberbranche?«
»Igitt.« Entsetzt schaute Darragh seine Frau an. »Nicht unbedingt ein passendes Thema beim Essen.«
Romy grinste. Sie freute sich, endlich über etwas reden zu
können, das sie tatsächlich interessierte. »Da hast du vermutlich recht. Aber wir müssen ja nicht unbedingt über alte Knochen reden, wenn du dich davor ekelst. Vor meiner Abreise habe ich zum Beispiel die Überreste einer Sträflingskolonie ausgegraben. Keiner hat geahnt, dass sich dort so etwas befinden könnte. Ursprünglich war geplant, an der Stelle ein neues Sportzentrum zu bauen.«
»Und was passiert jetzt?«, fragte Darragh. »Wird das Zentrum nicht gebaut, nur weil da ein paar uralte Tote herumliegen?«
»Das hört sich sehr zynisch an aus deinem Mund«, erwiderte Romy, milde tadelnd. »Nein, das Zentrum wird gebaut werden, aber zu einem späteren Zeitpunkt, wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind. So schlimm ist die Verzögerung nicht, und wenn gebaut wird, kommt auch noch ein Museum dazu, in dem
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