Und eines Tages kommt das Glück
müsse es die nächsten paar Wochen langsam angehen lassen und solle sich so wenig wie möglich bewegen. Es würde drei, vier Monate dauern, hatte er gesagt, bevor man überhaupt
von Heilung sprechen könne. Veronica müsse zwar unbedingt ihre Krankengymnastik machen, dürfe sich dabei aber nicht allzu sehr anstrengen.
Bei der Aussicht auf drei oder gar vier Monate in diesem Zustand hatte Veronicas Gesicht blankes Entsetzen ausgedrückt. Romy war es nicht viel anders ergangen.
Das ununterbrochene Fiepen des Strichcodeablesers hallte noch immer in Romys Ohren wider, als sie das beladene Einkaufswägelchen zurück zum Auto schob. Jetzt bin ich offiziell zu einer stumpfsinnigen Arbeitssklavin verkommen, dachte sie, während sie die Einkäufe in den Golf lud. Mein ganzes Leben dreht sich nur noch ums Einkaufen und um Emmerdale , eine der bekanntesten Seifenopern im britischen Fernsehen. (Romy hatte sich noch nie für TV-Serien interessiert, aber Veronica liebte sie, und sie waren das Einzige, was sie zurzeit noch zu interessieren schien. Mittlerweile hatte Romy das Gefühl, als hätte sie die Protagonisten der Serie bereits ihr ganzes Leben lang gekannt.)
Darragh war auch keine große Hilfe. Obwohl sie eigentlich von ihm erwartet (und sich prophylaktisch schon mal darüber geärgert) hatte, dass er als männliches Oberhaupt der Familie regelmäßig vorbeischauen würde, war er bisher nur ein paarmal aufgetaucht und immer nur eine knappe Viertelstunde geblieben, mit der Begründung, Giselle würde sich nicht wohlfühlen und er müsse sofort wieder zu ihr nach Hause.
Romy wusste, dass sie an diesem Morgen sehr niedergeschlagen war und geradezu in Selbstmitleid versank, aber sie konnte nichts dagegen tun. Außerdem ärgerte sie die sichtliche Erleichterung ihres Bruders und ihrer Schwester, dass ein anderer ihre Mutter am Hals hatte, während sie an ihrem Lebensstil nichts ändern mussten. Sie hatten ja schließlich mehr und wichtigere Dinge zu tun. Das Schlimmste daran war jedoch, dass Veronica an den Abenden, an denen Darragh sie besucht hatte, sofort viel lebhafter und redseliger gewesen war, was Romys Gefühl der Nutzlosigkeit nur noch
verstärkte. Sie fragte sich, ob sich so wohl Mütter fühlten, die nach einem anstrengenden Tag mit den aufsässigen Gören zuschauen mussten, wie diese den von der Arbeit nach Hause kommenden Vater begeistert als geliebten Helden begrüßten. Veronica vergötterte ihren Darragh, während die Atmosphäre zwischen Romy und ihrem Halbbruder sich momentan irgendwo zwischen frostig und unterkühlt bewegte. Er erwähnte zwar mit keiner Silbe mehr ihre Weigerung, auf Mimi aufzupassen, und sie war entschlossen, das Thema selbst nicht anzusprechen, doch es war ständig präsent und vergiftete die Atmosphäre zwischen ihnen.
Romy empfand trotzdem die größten Schuldgefühle, auch wenn sie sich sagte, dass es niemals gut gegangen wäre mit ihr und Mimi. Ihre Gedanken kreisten ständig um die Frage, ob sie nicht doch hätte ja sagen sollen und dass es sicher eine Lösung für das Problem gegeben hätte, auch wenn sie nicht wusste, welche. Dann wiederum sagte sie sich, dass es auch noch andere Leute gab, die einspringen konnten, dass schließlich auch Giselle eine Familie hatte und dass Darragh und sie (wenn sie so darauf versessen waren, nach Barbados zu fliegen) Mimi sicher bei den Großeltern mütterlicherseits abliefern könnten, die nur ungefähr dreißig Kilometer entfernt im County Kildare lebten.
Doch Romy konnte sich noch so viele logische Argumente zurechtlegen, sie kam sich immer gleich niederträchtig vor. Und so ging sie Darragh aus dem Weg, wenn dieser Veronica besuchte, und machte sich in der Küche zu schaffen, während er mit Veronica plauderte. Sie kochte Kaffee und Tee für sie und kam sich vor wie ein Dienstmädchen, wenn sie ihnen das Tablett servierte. Und gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst, dass ihr dieser Gedanke überhaupt kam.
Einmal war Giselle zu Besuch gekommen, durchgestylt von Kopf bis Fuß und unglaublich gut aussehend, aber Veronica hatte gerade geschlafen, und so hatte Giselle nur einen prächtigen Blumenstrauß für sie dagelassen. Leider könne sie sich nicht länger
aufhalten, da sie Mimi abholen müsse, hatte sie gesagt. (Soweit Romy wusste, ging Mimi in diverse Kurse – Theater, Kunst, Musik, frühe Leseerfahrung, Persönlichkeitsbildung und Ballett. Wenn die Kleine sich nicht zum Genie entwickelte, dann lag das sicher nicht daran,
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