Und eines Tages kommt das Glück
Handy aus der Tasche und schaute nach, ob eine SMS für sie eingegangen war oder ob sie vielleicht sogar einen Anruf verpasst haben könnte. Doch kein Mensch ließ etwas von sich hören. Es ist schrecklich, dachte sie, wie schnell man aus dem Leben der anderen verschwinden kann. Noch vor wenigen Wochen hatte sie per SMS Einladungen zu Wochenenden in Queensland oder zu einem Barbecue am Strand bekommen. Jetzt kam Romy ihr Leben in Australien wie ein ferner Traum vor.
Die Atmosphäre zwischen ihr und Veronica war in den letzten paar Tagen in der Tat noch angespannter gewesen als sonst. Deswegen hatte Romy es auch für eine gute Idee gehalten, an diesem Vormittag zum Einkaufen in den Supermarkt zu fahren.
Zwei Stunden nachdem sie zu ihrer Tour aufgebrochen war,
bog sie mit heftig pochenden Kopfschmerzen in die Auffahrt ein und sah vor der Tür einen schwarzen Audi stehen. Wem gehörte der Wagen? Romy runzelte die Stirn. Veronica hatte sich zur Tür schleppen müssen und war darüber mit Sicherheit nicht sonderlich erfreut gewesen, vor allem nicht, wenn sie noch in ihrem Jogginganzug und ohne Make-up herumlief. Beladen mit diversen Einkaufstüten, sperrte Romy die Haustür auf und ging in die Küche.
Veronica saß am Tisch, ein kokettes Lächeln auf dem Gesicht, und hielt sich so gerade wie schon seit Wochen nicht mehr. Sie hatte das bequeme Top und die Jogginghose gegen eine jadegrüne Hemdbluse und einen dunkelblauen Seidenrock eingetauscht. An ihren Füßen baumelten hochhackige Pantoletten. Beim Anblick der Schuhe verdrehte Romy die Augen. Veronica konnte unmöglich darin laufen, und wenn, dann machte sie ihren Rücken damit endgültig kaputt! Ihre Mutter war sorgfältig geschminkt, und zum ersten Mal in ihrem Leben war Romy erleichtert, sie in voller Kriegsbemalung zu sehen. Endlich sah sie wieder aus wie ihre Mutter, so, wie sie sie immer gekannt hatte! Doch die plötzliche Veränderung von Veronicas Aussehen und Stimmung erstaunte Romy dann doch sehr.
Der Mann, der ihrer Mutter gegenübersaß, lächelte ebenfalls. Obwohl sie sich freute, Veronica schick zurechtgemacht und einigermaßen fit zu sehen, fühlte Romy sich merkwürdig unwohl beim Anblick des fremden Mannes in ihrer Küche. (Warum?, fragte sie sich. Veronica ist ungebunden. Es ist ihr Haus. Was habe ich damit für ein Problem? Romy war unfähig, auch nur eine dieser Fragen zu beantworten, was sie umso mehr erboste.)
»Hallo.« Unsicher schweifte ihr Blick zwischen den beiden hin und her.
»Oh, hallo«, sagte Veronica mit dem sinnlich-heiseren Timbre in der Stimme, das Romys Erinnerung nach für den Umgang mit Männern reserviert war. »Das ist Will Blake. Er ist auch Patient
bei Dr. Jacobs und ein Freund aus dem Bridgeclub. Will, das ist meine Tochter Romy.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte Romy zurückhaltend.
»Will hatte vor ein paar Jahren dieselbe Operation wie ich«, erklärte Veronica. »Er ist extra hergekommen, um mir ein paar Ratschläge zu geben.«
»Vielleicht hörst du ja auf ihn.« Romy stellte die Einkäufe auf den Tisch und rieb sich den Rücken, den sie sich fast verrenkt hätte, als sie die Tüten aus dem Auto gehoben hatte. »Auf mich hörst du nämlich leider überhaupt nicht. Du hast heute Morgen deine Übungen wieder nicht gemacht.«
»Damit muss ich mich nun herumplagen!« Veronica schenkte Will ein Lächeln. »Romy soll nämlich auf mich aufpassen.«
»Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, sagte Will.
Romy sah ihn spöttisch an. »Bestimmt nichts Gutes.« Es sollte fröhlich und unbeschwert klingen, aber irgendwie klang es eher patzig.
»Romy!« Veronica war empört. »Und pass doch auf, der Kaffee fällt gleich runter.«
Romy erwischte gerade noch die Dose, die fast vom Tisch gerutscht wäre, und stellte sie in den Schrank.
»Ich hatte genau dieselbe Operation wie Veronica«, erklärte Will. »Danach ging es mir wesentlich besser. Ich habe Ihrer Mutter gesagt, dass sie noch sehr froh darüber sein wird, dass sie es hat machen lassen.«
»Gut«, meinte Romy. Statt weiter die Lebensmittel in den Schrank zu räumen, füllte sie ein Glas mit Wasser und nahm zwei Aspirin.
»Tja, Veronica, dann gehe ich jetzt wohl besser.« Will stand auf. Romy bemerkte, dass auch er sich schwerfällig bewegte. Hoffentlich bekomme ich nie ernsthafte Rückenprobleme, dachte sie flüchtig. Damit könnte ich jede Ausgrabung vergessen!
Sie brachte Will zur Tür, und als sie in die Küche zurückkehrte, saß Veronica noch
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