Und erlose uns von dem Bosen
mehrmals über beide Fahrbahnen und dann wie von einem Katapult abgeschossen über die Kante in die Luft.
Der Mercedes stürzte hinab zum Meer.
Ich bremste mit aller Gewalt und sprang aus dem Wagen. Dann beobachtete ich, wie der Mercedes zwei Mal aufprallte und danach auf die untere StraÃe krachte. Von hier oben aus konnte ich unmöglich hinunterklettern.
Ich sah beim Wrack keine Bewegung. Wer auch immer im Mercedes gesessen hatte, musste tot sein. Aber wer war es?
Ich stieg wieder in den Streifenwagen, den ich sozusagen beschlagnahmt hatte. Zehn Minuten später war ich unten beim Wrack. Französische Polizei und ein Krankenwagen waren bereits eingetroffen und viele gaffende Frühaufsteher.
Als ich aus dem Auto kletterte, sah ich, dass der Fahrer nicht aus dem Wrack herausgeholt worden war. Notarzt und ein Sanitäter lehnten sich ins Auto und arbeiteten hektisch. Sie sprachen mit dem Fahrer. Wer war er?
Einer schrie: »Der Mann lebt noch.«
Ich rannte zum Wrack, um den Fahrer zu sehen. Wer war er? Konnte er mit mir sprechen? Ich schaute zur Moyenne Corniche hinauf und fand es unbegreiflich, dass jemand einen
solchen Sturz hatte überleben können. Der Wolf stand in dem Ruf, ein knallharter Typ zu sein. Aber so hart?
Ich zeigte meinen Ausweis, worauf die Polizisten, die alles abgesperrt hatten, mich durchlieÃen.
Dann sah ich ihn. Jetzt wusste ich, wer im Wrack eingeschlossen war, aber ich konnte es nicht glauben. Ich traute meinen eigenen Augen nicht.
Mein Herz klopfte und raste wie wahnsinnig. Ebenso mein Verstand, zumindest, was davon noch übrig war. Ich kniete mich neben den auf dem Dach liegenden Wagen auf den felsigen Boden und beugte mich vor.
»Ich binâs, Alex.«
Der Fahrer schaute mich an und bemühte sich, die Augen zu fokussieren. Er war in dem zerquetschten Mercedes eingeklemmt. Von den Schultern abwärts presste Metall auf ihn. Ein grauenvoller Anblick.
Aber Martin Lodge lebte und hing mit jeder Faser am Leben. Er schien etwas sagen zu wollen. Ich beugte mich näher. »Ich binâs, Alex«, wiederholte ich und drehte den Kopf so, dass mein Ohr vor seinem Mund war.
Ich musste die Identität des Wolfs erfahren. Ich hatte so viele Fragen.
»Alles vergeblich«, flüsterte Martin. »Deine Wolfsjagd ist sinnlos. Ich bin nicht der Wolf. Ich habe ihn nie gesehen.«
Dann starb er und lieà mich â und alle anderen, die warteten â ohne Antwort zurück.
112
Die Familie Lodge wurde in England in Schutzhaft genommen. Wir hatten das Gefühl, dass der Wolf vermuten könne, dass Martin der Frau oder einem der Kinder etwas Belastendes erzählt hätte und sie deshalb für ihn Ziele sein könnten. Oder er tötete sie, um sicherzugehen. Oder einfach, weil er an dem Tag Lust hatte, jemanden umzubringen.
Am nächsten Morgen flog ich nach London zu einer Besprechung mit Scotland Yard, besonders mit Lodges Vorgesetztem, der John Mortenson hieÃ. Er berichtete, dass anfangs keiner der Ãberlebenden in Cap-Ferrat etwas über den Wolf zu wissen schien, ja nicht einmal, wer Martin Lodge gewesen war.
»Eine kleine Neuigkeit gibt es, relativ winzig«, teilte er mir mit.
Ich lehnte mich in dem tiefen Ledersessel mit dem Blick auf Buckingham Palace zurück. »Inzwischen kann mich nichts mehr überraschen, John. SchieÃen Sie los. Geht es um die Familie Lodge?«
Er nickte und seufzte. »Alles fängt mit Klára an«, begann er. »Eigentlich Klára Cernohosska. Lassen Sie mich mit ihr beginnen. Wie sich herausgestellt hat, war Martin bei dem Team, das damals, dreiundneunzig, einen Ãberläufer namens Edward Morosov aus Russland herausbrachte. Martin arbeitete mit der amerikanischen CIA, mit Cahill und Hancock â und auch mit Thomas Weir zusammen. Aber es gab nie einen Edward Morosov. Der Mann war ein nicht identifizierter Ãberläufer vom KGB, dessen Namen wir nicht kennen. Wir glauben, es war der Wolf.«
»Sie wollten anfangs etwas über Martins Frau Klára sagen. Was ist mit ihr?«
»Nun, sie ist keine Tschechin. Sie kam mit einem Mann, der sich Morosov nannte, aus Russland. Dort war sie Assistentin bei einem Chef des KGB und unsere Hauptinformationsquelle in Moskau. Offenbar kamen sie und Morosov sich während der Flucht näher. Sie wurde nach England gebracht. Dort änderte er ihre Identität und vernichtete sämtliche Unterlagen über sie. Danach
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