Und ewig seid ihr mein
andere den klugen und notwendigen Hinweis an sein Gewissen ab.
Er wusste, dass er auf dem besten Wege war, nicht nur seine Leber, sondern auch seine Zukunft im Schnaps zu ersäufen. Nur noch dieses eine Mal. Wenn dieser Fall abgeschlossen war, würde er Ernst machen. Bis dahin musste er noch durchhalten.
Die Badewanne war voll gelaufen. Er setzte einen Fuß vorsichtig in das warme Nass, dann legte er sich ganz in das Wasser. Er spürte die spontane Blutzirkulation. Sie war angenehm und schickte ihm Bilder ins Bewusstsein.
Lange, viel zu lange, hatte er dieses Gefühl nicht mehr im Unterleib und diese Bilder vor seinen Augen gehabt. Sie hieß Arianne, war Französin, damals vierunddreißig so wie er. Sie war mit dem Hotelmanager eines Klubs auf der griechischen Insel Kos verheiratet und litt unter der ewig heißen Sonne des Mittelmeeres. Sie achtete sehr darauf, ihr Heimweh nach Paris und den verregneten Sonntagen im Bett die Gäste nicht spüren zu lassen. Immer im Schatten von Palmen, auf dem Liegestuhl, verschanzte sie sich hinter einer Ausgabe von Le Monde und pflegte still ihre Melancholie. Levy kam mit ihr ins Gespräch. Zuerst wirkte sie spröde, wollte keinen Kontakt über den üblichen Smalltalkvon Wetter und Meer hinaus. Doch wie die Tage vergingen und sie beide merkten, dass sie die richtigen Personen am falschen Ort waren, kamen sie sich näher.
Sie liebten sich nur einmal. An diesem Nachmittag, auf seinem Zimmer, während der Mittagsruhe.
Danach fiel er in einen schweren und süßen Schlaf. Als er erwachte, war sie gegangen. Die Suche nach ihr blieb erfolglos. Sie hatte sich von einem Mitarbeiter des Hauses auf eine andere Insel bringen lassen, der Ruhe wegen, wie er erfuhr.
Ein erwachsener Mann, der von einer Sehnsucht träumte, die sich so nicht mehr wiederholen ließe. Kindlich ergab er sich dem Wunsch nach Verschmelzung. Eine Stimme in seinem Kopf begann eine Melodie zu summen.
Traumland, Schaumland …
Die Bilder von Arianne und ihm verblassten. Stattdessen schlich sich eine Szene ein, die ihn seit seiner Kindheit verfolgte. Er sah sich auf einem Sandhügel stehen. Es ist Nacht. Um ihn herum liegen brennende Teile. Er ist von Ruß geschwärzt, seine Haare versengt, Blut fließt aus einer Wunde. Seine Augen quellen über vor Schmerz, er wischt sich den Rotz von der Nase, stammelt und schluchzt, will nicht wahrhaben, was da vor ihm im Sand verbrennt. Das Heck einer Cessna steckt kopfüber im aufgesprengten Loch, die Fahrgastkabine liegt in abertausend Splitter geborsten in den kargen Sträuchern. Dazwischen ein abgerissener Arm. Der Finger trägt noch immer den Ring eines holländischen Adelshauses.
Eine Stimme aus dem Himmel lastet schwer auf ihm: «Du hast sie getötet.»
Er will dagegen anschreien, die ungeheure Schuld nicht annehmen. Doch seine kleine Brust ist voller Rauch, der brennt, beißt und jede Antwort erstickt.
Der Computer meldete sich abwechselnd mit einem störenden Licht und einem Piepen. Levy ließ genervt den Kopf zur Seite kippen, öffnete die Augen und blickte über den Badewannenrand hinüber auf den Bildschirm. Normalerweise würde er bei einem eingehenden Anruf die Nummer erkennen. Doch dieser Anschluss schien analog zu sein. Die Nummer war nicht feststellbar. Levy ließ es läuten. Er war zu müde und nicht in Stimmung für ein Gespräch. Nur, das Läuten hörte nicht auf. Er schnappte sich ein Handtuch, schlurfte missmutig an den Rechner und betätigte die Returntaste.
«Levy.»
«Ich dachte mir, dass Sie noch auf sind.»
Die Stimme war die eines Mannes, ruhig und freundlich. Levy stutzte. «Wer sind Sie?»
«Es tut mir Leid, wenn ich Sie zur fortgeschrittenen Stunde noch störe. Aber ich komme nicht umhin, Ihnen zu gratulieren.»
Levy hielt inne. Wer war dieser Mann, und woher kannte er diese Nummer? Sie war in den Telefonverzeichnissen nicht eingetragen und nur seinem ehemaligen Chef Sven Demandt und, seit dem neuen Fall, Michaelis und Luansi bekannt. Oder war er das Opfer von Hackern geworden, die sich bei der Telekom eingeschlichen hatten, um die erbeuteten Telefonnummern an Direktvermarkter zu verkaufen?
Levy hatte keine Lust, es herauszufinden. «Sie müssen sich verwählt haben.» Seine Hand huschte zur Maus, um das Gespräch zu beenden. Noch bevor er den Befehl ausführen konnte, sprach die Stimme: «Sie sind Balthasar Levy, der gleiche Mann wie der, der schon vor zwei Jahren hinter mir her war. Nicht wahr?»
Levy ließ sich auf den Stuhl
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