Und ewig seid ihr mein
Gruppenbesprechung um fünf Uhr zurückkehrte, würde er die Suche auf die Berufsgruppe der Präparatoren ausweiten.
Noch etwas. Anubis musste über gute Computerkenntnisse verfügen. Der Hohepriester hatte seine E-Mail -Adresse preisgegeben, mit der Anubis Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Levy hatte sie an Alexej weitergeleitet.
Der jedoch versprach wenig Hoffnung, die Person dahinter zu identifizieren. Die Adresse lautete auf die Endung
.cn
für China. Ein normaler User würde bereits bei der Einstellung des richtigen Zeichensatzes auf dem Computer scheitern, zum Zweiten gab es die Sprachbarriere, sofern der Anbieter die Texte nicht in Englisch aufbereitet hatte.
Verfolgte Levy die Präparatorentheorie für eine Minute weiter, so drängte sich die Frage auf, wieso der Täter seine Opfer überhaupt präparierte und sie nicht, wie viele seiner Vorgänger, einfach entsorgte – im Wald, im Fluss, in einem Grab, mit Feuer.
Wieder stellte er sich die Frage nach dem Wesen dieser Entscheidung. Was war die eigentliche Idee hinter der Präparation?
Die Ägypter taten es, um ihre Könige für die jenseitige Reise vorzubereiten. Und so ihre Leibhaftigkeit bis über den irdischen Tod hinaus zu sichern. In Kurzform: Den Tod und die Zeit überwinden.
Wie musste er sich das bei Anubis vorstellen?
Er schlachtete seine Opfer aus, präparierte sie mit dem Kunststoff Epoxydharz, um sie dann …?
Ja, was war dann? Stellte er den in Kunststoff eingelegten und später erhärteten Leichnam auf, um ihn für immer an seiner Seite zu haben? Wenn ja, was sprach dabei für den Frauenheld Eberhard Finger und für das pubertierende Mädchen Tatjana? Wieso wollte er gerade sie vor dem fleischlichen Zerfall retten?
Levy musste gesicherte Informationen zu seinen Überlegungengewinnen. Er machte sich auf den Weg zurück ins Büro. Als Erstes würde er den Hintergrund zum ägyptischen Gott Anubis recherchieren.
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Anubis, Gott der Unterwelt und der Toten, gleichfalls Gott der Einbalsamierung und Bestattungsriten. Er wird in der ägyptischen Mythologie mit dem Kopf eines Schakals dargestellt.
Levy betrachtete das Bild einer kleinen Statue. Sie trug das schwarze Haupt eines Schakals mit aufgestellten Ohren, einem Hund gleich, der durch ein Geräusch aufmerksam geworden war.
Levy las weiter. Anubis war Sohn des Osiris, dessen Bruder Seth war. Gott Osiris stand für den Tod. Im Glauben der Ägypter kehrte die Seele eines Toten zurück auf die Erde und lebte nach dem Tod weiter. Osiris stand somit auch für die Auferstehung und Fruchtbarkeit. Ihm gegenüber stand Seth, Gott der Zerstörung und des Chaos. Er tötete seinen Bruder Osiris.
Der Name
Seth
war auf einer der Internetseiten mit einem Link unterlegt. Levy bestätigte und gelangte zu einer Informationsseite über Satanismus und verschiedene Satansorden. Dort las er zum
Temple of Set
: Der Orden wurde 1975 von ehemaligen Mitgliedern der
Church of Satan
(Gründung: 1966 durch Anton Szandor LaVey, ehemaliger Löwenbändiger, Organist und Polizeifotograf) ins Leben gerufen. Sie trennten sich nach Meinungsverschiedenheiten im Streit von der Church of Satan und schlossen sich im Temple of Set zusammen.
Gründung: 1975 durch Michael Aquino, Oberstleutnant der Reserve. Er beruft sich auf Aleister Crowley und gibt an, durch den Herrn der Finsternis selbst beauftragt zu sein. Aquino hält den Namen
Set
für den von den Hebräern aus Ägypten mitgebrachten Namen Satans.
Wer hätte das gedacht, sagte sich Levy. So ließen sich die einzelnen Geschichten und Personen in diesem Fall Perle um Perle auf den Faden aufreihen.
«Unser Mann nennt sich Anubis», sagte Levy zu Alexej, «Gott der Toten im alten Ägypten und der Einbalsamierung. Ich glaube, langsam kommen wir ihm näher.»
«Ich jedoch nicht», widersprach Alexej.
Seit Stunden beackerten er und ein weiterer Freund vor Ort den Postserver, der die E-Mail -Adresse von Anubis beherbergte.
«Der Server ist mit Hardware-Firewalls geschützt. An denen gibt es kaum ein Vorbeikommen.»
Wieder eines dieser Details, dachte Levy, die Anubis immer mehr zu einem Computerprofi machten. Er verstand sich zu tarnen.
«Wenn gar nichts geht», sagte Levy, «sollten wir ein Amtshilfegesuch an die chinesischen Kollegen stellen.»
«Weißt du, wie lange so was dauern kann?»
Levy nickte, natürlich war ihm bewusst, wie wenig aussichtsreich sein Vorschlag war. Dennoch durften sie diese Spur nicht einfach aufgeben, auch wenn es Tage oder Wochen dauern
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