Und ewig seid ihr mein
Nichts. Es wird Zeit, dass Sie spüren, mit wem Sie es zu tun haben.»
«Dann wollen Sie sich endlich stellen?»
Anubis zügelte seinen Zorn. Nein, von Sichstellen konnte nicht die Rede sein. Levy sollte am eigenen Leib erfahren, was es hieß, den inneren Dämon wachzurufen. Er würde ihm einen Albtraum schenken.
«Wer bist du, Levy?», drohte Anubis. «Noch immer die schlimmen Träume von Tod und der Schuld, die du mit dir herumträgst?»
Anubis konnte in Levys Schweigen hineinhören. Das Gefühl der Überlegenheit war zurückgekehrt und machte ihn stark.
«Wer sind Sie?», fragte Levy verunsichert.
Anubis lachte bitter. «Hörst du ihre Schreie? Wie sie dich anklagen und verwünschen?
Levy, du weißt nicht, wer du bist. Ich jedoch kenne jeden deiner Schritte. In Vergangenheit und Zukunft. Und ich schwöre dir, du wirst büßen für das, was du getan hast. Denn du bist schuld»
«Was meinen Sie mit Schuld? Welche Schuld sollte ich tragen?»
«Die von damals und die von heute. All die Menschen, die du getötet hast, lassen dich nicht mehr los. Sie zeigen mit dem Finger auf dich. Du wirst sie nicht länger zum Schweigen bringen.
Ich bin ihr Ankläger, und ich schreie es dir entgegen:
Du bist schuld.»
Dann summte er eine Melodie. Ein Kinderlied.
33
Traumland, Schaumland.
Wie ein Kind begann er hastig, die Melodie nachzusummen.
Sie sollte ihn beruhigen, die Stimme überdecken, so wie sie es in den vielen Jahren zuvor getan hatte.
Sie trieb ihn im Zimmer umher.
Du bist schuld.
«Hör endlich auf!», schrie er dagegen an.
Verzweifelt suchte Levy sich zu konzentrieren, um einen Weg aus diesem Zwang zu finden.
«Du weißt, wie es geht», flüsterte eine andere Stimme beruhigend auf ihn ein. «Lass den Schmerz zu. Er wird dich leiten.»
Levy gehorchte, ohne nachzudenken.
Ein schwarzer Riss stoppte den Film einfach ab, der in seinem Kopf eine Endlosschleife drehte. So auch die Stimme, die ihn beschuldigte.
Sein Kreislauf beruhigte sich, das Zittern und die flache Atmung verflogen.
Er schaute sich um, so, als sei er zum ersten Mal an diesem Ort, der ihm fremd erschien.
Levy verließ das Zimmer.
Draußen auf dem Gang fragte er sich, wie er nur hierher gekommen war.
34
Besinnungslos betrunken lag Levy im Bett. Er war noch immer in der Kleidung der letzten Nacht. Sie klebte verschwitzt an seinem Körper wie ein feuchter, kalter Neoprenanzug.
Der Computer meldete einen eingehenden Anruf.
Sein Kopf war eine Glaskugel, hart und zerbrechlich.
Als er sich auf die Beine stellte, knickte er ein, plumpste zurück ins Bett. Es war, als wenn der Aufschlag sein Gehirn im Kopf hin- und herschwappen ließ. Der nächste Versuch gelang besser, wenngleich er eine Stütze benötigte, um das Gleichgewicht zu halten.
Schmerz fuhr ihm ins Bein. Verschwommen sah er hinunter, sah einen dunklen Fleck auf der Hose. Er streifte mit dem Finger darüber und sah es sich an. Klebrig, zäh, bereits bröcklig. Schmutz, oder war das etwa Blut?
«Levy», röchelte er ins Mikro.
Sein Hals brannte ausgedörrt. «Michaelis hier. Wo zum Teufel stecken Sie?»
Verdammter Mist, was wollte das Weib von ihm? Nicht jetzt, später, wenn er geduscht und einen Kaffee getrunken hatte, konnte sie nochmals anrufen.
«Ich habe mich erkältet», log er. «Ich muss wieder ins Bett.»
«Einen Scheiß müssen Sie», schrie sie ihn an. «Sie sind besoffen. Das höre ich bis hierher.»
«Wenn ich es Ihnen sage, meine Stimmbänder sind entzündet.»
«Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie spät es ist?»
Nein, hatte er nicht.
«Die Neun-Uhr-Sitzung. Keine Entschuldigung, kein Anruf, kein Bericht. Ich lasse mir das nicht mehr länger von Ihnen gefallen. Ich habe mit Demandt gesprochen. Er dürfte jeden Augenblick bei Ihnen eintreffen. Er will mir nicht glauben und selber nachsehen, was mit Ihnen los ist …»
Klingeln. Demandt stand vor der Tür.
«Ich muss jetzt Schluss machen», unterbrach er und drückte das Gespräch weg.
Er mobilisierte die letzten Kräfte, hustete den festsitzenden Schleim von den Bronchien, spie ihn in die Toilette und spülte. Ein Blick in den Spiegel. Oh, nein, das durfte nicht wahr sein. Er spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht.
Klopfen an der Tür. «Was ist los mit dir? Mach endlich auf.»
Levy torkelte mehr, als dass er zur Tür ging. Noch ein tiefer Atemzug. Sein Atem … zu spät.
Er öffnete die Tür. «Komm rein», sagte er erstaunlich klar. Dennoch klang seine Stimme heiser.
Demandt schaute ihn
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