Und ewig seid ihr mein
kommen.»
«Wie ist diese Explosion zu verstehen?»
«Es staut sich alles auf. Meistens, ohne dass man es von außen merkt. Und bei einem Kleinkind schon gar nicht. Das nimmt alles gedankenlos hin. Ihm fehlen die Vergleiche mit anderen Familien, um herauszufinden, dass nicht das Kind selbst ein Problem hat, sondern das Umfeld. Dummerweise bildet sich in dieser dynamischen Stresssituation die Vorstellung heraus – egal, ob es tatsächlich so ist, da reicht das subjektive Empfinden völlig aus –, dass man an dem ganzen Schlamassel noch selbst schuld ist. Irgendwann mal platzt dann alles auf. Da reicht ein einziges Wort oder etwas völlig Banales.
Bei Frank war es eben dieses Familienfest.»
Wenngleich Demandt sehr an der Vorgeschichte interessiert war, brannte er nun darauf zu erfahren, was in jener Nacht in dem Haus am Strand passiert war.
«Die Polizei konnte die Umstände nicht mehr genau rekonstruieren», sprach Jouwer weiter, «am Abend hatte das Wetter aufgefrischt, Wind zog auf, und das gemeinsame Essen wurde vom Strand ins Haus verlegt.
Fakt ist, dass nur Frank und Ruben dieses Unglück überlebten. Es muss ein Brandbeschleuniger, Benzin beispielsweise, im Spiel gewesen sein. Auf jeden Fall brach Feuer aus, das schnell um sich gegriffen hatte. Wahrscheinlich war es durch den Wind noch zusätzlich angefacht worden. Alle verbrannten bei lebendigem Leib. Ich glaube, zwei oder drei haben es noch zur Tür hinaus geschafft, doch die starben später im Krankenhaus an den Verletzungen.»
«Und wie überlebten die Brüder?»
«Ruben muss sich als Einziger im Schlafraum aufgehalten haben. Er entkam über das Fenster, das nicht verriegelt war. Es ging zu den Dünen hinaus.»
Demandt merkte, dass sich am Ton Jouwers etwas verändert hatte. «Dann hatte Ruben ja richtig Glück gehabt.»
«Sicher.»
«Aber?»
«Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich aus Ruben etwas über diese Nacht herausbekommen habe. Bis dahin war er völlig teilnahmslos. Wenn die übrigen Kinder spielten, hielt er sich am Rand auf, blickte leer in den Raum hinein. Als er merkte, dass ich mich ernsthaft um ihn bemühte, sprach er bruchstückhaft über seine Erlebnisse. Seine Worte waren voller Verzweiflung und Angst. Dazu kam, dass er sich die Schuld an dem Unglück gab.»
«Hatte er denn Schuld?»
«Wo denken Sie hin?! Selbst wenn, ich meine, wie sollte er das gemacht haben?. Ein Kind mit acht Jahren hat grundsätzlich keine Schuld. Es weiß noch nicht mal, was dieses Wort bedeutet.»
«Gut, drücken wir es anders aus: Hat er seine Familie umgebracht?»
Jouwer zögerte mit der Antwort. «Ich weiß es nicht.»
Demandt spürte, dass er das Gespräch wieder auf Frank lenken musste. «Und wie überlebte Frank?»
«Nach seiner Aussage war er die ganze Zeit in den Dünen gewesen. Die Mutter muss ihn dorthin geschickt haben, nachdem es zu einem Streit gekommen sein soll. Was der genaue Grund war, habe ich niemals aus ihm herausbekommen.
Nach seinem Bericht über die Geschehnisse jener Nacht hat er die Familie bei lebendigem Leib verbrennen sehen. Und die Schuld an dem Feuer gab er Ruben …»
«Also doch.»
«Völliger Unsinn», widersprach Jouwer, «ich wiederhole es, es gab keinen einzigen Beweis, dass der kleine Ruben daran in irgendeiner Weise beteiligt war.»
«Aber Frank beschuldigte ihn.»
«Ich werte das als Kompensation. Irgendwie musste ein Schuldiger für die Katastrophe gefunden werden. Und da griff Frank auf seinen Bruder zurück und gab ihm die Schuld für das Unglück.
Bei jeder Gelegenheit lagen sie sich in den Haaren, prügelten sich unentwegt, sodass wir sie schließlich trennen mussten. Doch das hielt Frank nicht auf. Eines Nachts machte er Ernst.»
«Was tat er?»
«Nach einem Kontrollgang brach Feuer im Schlafsaal aus. Ein Erzieher, der durch das Geschrei der Kinder alarmiertwurde, berichtete, dass Frank seinen schlafenden Bruder Ruben mit Benzin übergossen und angezündet hatte.»
Demandt horchte auf. «So sehr hasste Frank seinen Bruder, dass er ihn auf dieselbe Art sterben sehen wollte, wie seine Eltern gestorben waren?»
«Leider ja.»
«Was passierte dann? Wie ging es mit Frank und Ruben weiter?»
«Ruben überlebte den Anschlag mit ein paar Brandwunden. Nichts, was nicht wieder verheilte. Allerdings wogen die Wunden, die er sich in seiner Psyche zugezogen hatte, weitaus schlimmer. Nachdem er aus dem Krankenhaus zurückgekehrt war, hatte sich etwas in ihm verändert. Ich hatte das Gefühl, dass
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