Und ewig seid ihr mein
gesehen worden. Das Autokennzeichen führte die Ermittler zu Willi Kolber. In seinem Auto fanden sie Vorrichtungen, wie sie das erste überlebende Opfer beschrieben hatte. Auch das Tapeziermesser konnte sichergestellt werden. Bei einer feinstofflichen Untersuchung des Wageninneren stießen die Kriminaltechniker auf eine Faser, die exakt zu einem Pullover der verschwundenen Holländerin passte. Ihr halb bekleideter Körper war wenige Tage zuvor in einem Steinbruch entdeckt worden. Ein Spaziergänger und sein Hund hatten im Sand eine Hand entdeckt.
Die dazugerufenen Beamten gruben den Körper frei und sahen Schreckliches. Dem Mädchen waren der Leib geöffnet und die inneren Organe entnommen worden. Ihre Geschlechtsteile fehlten auch. Was mit ihnen und dem Rest passiert war, darüber schwieg sich Willi Kolber bis zum heutigen Tag aus.
Das Oberlandesgericht verurteilte ihn zu zwei Mal lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Noch im Gerichtssaal beschimpfte er die Richterin als dreckige Fotze, die ihm nur ja in die Finger kommen solle. Er würde ihr schon beibringen, was es heißt, über das Leben anderer zu entscheiden. So weit die Fakten.
Levy hatte sich damals dem Mann, der äußerlich sehr gepflegt und ausgeglichen aufgetreten war, offen und vertrauensbildend genähert. Er wollte herausfinden, was die treibende Kraft hinter seinem Hass auf Frauen war und wieso er mit einer bis dahin nicht da gewesenen Brutalität gegen sie vorgegangen war.
Kolber hatte Levy lange beobachtet, bevor er ihm antwortete. Er schien abzuwägen, ob Levy ihn, wie die anderen Forensiker, lediglich als Forschungsobjekt betrachtete oder ob er sich tatsächlich für die Gründe seiner Taten interessierte. Kolber hatte ihm einen Handel vorgeschlagen. Einen Rollentausch. Levy würde sich in die Lage Kolbers versetzen, und Kolber würde ihm sagen, wieso er so und nicht anders gehandelt hatte.
Es war der Beginn von langen und intensiven Gesprächen.
21
Nach dem ersten Klingeln hatte Sven Demandt den Hörer am Ohr. «Na, endlich», sagte er, nachdem er hörte, wer dran war. «Hast du was rausbekommen?»
Der Verbindungsbeamte des BKA gab sich zurückhaltend. «Kommt drauf an, wie man es sieht. Zuerst zu diesem Frank de Meer: Nach seiner Entlassung verschwand er einige Jahre spurlos. Wahrscheinlich war er im Ausland. Darüber liegen mir keine weiteren Informationen vor. Dann, vor zirka fünf Jahren, reiste er wieder ins Land ein. Er lebte bis vor drei Jahren im grenznahen holländischen Enschede. Dort hat er sich einen zweifelhaften Ruf als Psychoanalytiker gemacht.»
«Wieso zweifelhaft?», unterbrach Demandt.
«Sein Spezialgebiet war die Therapierbarkeit von Sexualstraftätern, im Besonderen von Pädophilen. Er vertrat unter anderem die Meinung, dass Kinderschänder schon in den eigenen Familien zu dem gemacht werden, was später aus ihnen herausbricht. Er machte in einigen Publikationen die heutige Gesellschaft dafür verantwortlich. Sie sei daran schuld, dass auffällige Personen nur unzureichend behandelt würden, es an einer fundierten Ausbildung für Psychotherapeuten fehle und dass der Staat das Problem viel zu lange nicht wahrnehmen wollte.
Er forderte schließlich, verurteilte Straftäter aus den Gefängnissen und Nervenheilanstalten in den freien Vollzug zu entlassen, damit sie unter professioneller Anleitung lernten, ihr Problem zu lösen. Lebenslanges Wegsperren helfe nicht, im Gegenteil, es sei ein weiterer Beweis für die Unwilligkeit des Staates, sich mit dem Problem zu befassen. Mit dieser Einstellung machte er sich nicht gerade Freunde. Er wurde als Verrückter abgetan und schließlich gemieden.»
Demandt war irritiert. «Trotzdem, warum habe ich noch nie von ihm gehört? Ein Psychoanalytiker, der diese Meinung vertritt, wäre mir doch aufgefallen.»
«Weil er nicht unter seinem richtigen Namen in Erscheinung trat. Deshalb hatte es mein Kontaktmann auch so schwer, mehr als die Personalien über Frank de Meer herauszubekommen. Aus Solidarität mit verurteilten Straftätern nahm er deren Namen an.»
«Stimmt», erinnerte sich Demandt, «ich habe mal was gelesen über so einen sonderbaren Kauz in Holland, der für die Rechte von Sexualstraftätern einstand. Wir haben ihm weiter keine Aufmerksamkeit geschenkt, weil er mit seinen Ideen und Forderungen die Straftäter schneller auf die Straße zurückgeschickt hätte, als wir sie überführt haben. Was ist aus ihm geworden, wo lebt er heute?»
«Seine Spur
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