Und ewig seid ihr mein
verschwunden ist», sprach der Kollege weiter, «mein Kontaktmann im Ministerium vermutet, dass sie von Anfang an nicht an dem Platz war, wo sie eigentlich hingehört.»
«Wie ist das möglich?»
«Gerade das will er herausfinden.»
Demandt fragte sich, wer die Macht hatte, eine Akte unbemerkt verschwinden zu lassen und etwaige Nachforschungen zu blockieren. «Wer, glaubst du, steckt dahinter?»
«Es muss jemand sein, der von anderer Seite gedeckt wird. Sven, gib mir noch ein paar Stunden. Ich melde mich. Bis dahin lass mich in Ruhe arbeiten. Ich weiß, was ich tue.»
«Trotzdem, konzentriere dich auf Frank. Dieser Ruben spielt nur eine Nebenrolle.»
«Wenn du es sagst … bis später.»
Demandt nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse, bemühte sich, die schlechte Laune in den Griff zu bekommen. «Tut mir Leid», sagte er ansatzlos in die Runde.
Ein Lächeln kam zurück.
«Was machen eure Nachforschungen in den Präparationsschulen?»
20
Levy kämpfte mit der Müdigkeit. In aller Frühe war er mit dem Zug in das nordrhein-westfälische Lippstadt aufgebrochen. Dort, in der Justizvollzugsanstalt Eickelborn, würde er mit dem Schlitzer von der Ems, Wilhelm Kolber, zusammentreffen. Von ihm erhoffte sich Levy weitere aufschlussreiche Informationen zu Frank de Meer.
Als Reiselektüre hatte Levy aus seinen Unterlagen die Interviews herausgesucht, die er vor über drei Jahren mit ihm geführt hatte.
Kolber war ein Serienmörder par excellence. Aus einem verkorksten Elternhaus stammend, mit der klassischen Konstellation des Vaters als Säufer und Gelegenheitsarbeiter und der Mutter, die sich Lust und Unabhängigkeit auf dem freien Markt versilberte, verbrachte er die ersten Jahre seiner Jugend in einem Heim. Bereits dort zeigten sich Auffälligkeiten in seinem Verhalten. Er war ein Sonderling, hatte mit den anderen Kindern und Jugendlichen nichts gemein. Aggressionen waren ihm fremd, solange er sich nicht in die Enge getrieben fühlte. Falls doch, schlug er mit unbarmherziger Härte zu. Einen Jungen kostete es das Augenlicht, als er sich über sein Hobby lustig machte.
Willis Faible lag in der Biologie von Kleintieren. Er hatte sich Bücher besorgt und studiert. Bei Ausflügen setzte er sich schnell von der Gruppe ab, um unbeobachtet seinen Streifzügen nachzugehen. Die Aufsicht fand ihn schließlich, als er dabei war, den aufgeblähten Bauch eines toten Hasen zu öffnen. Auf die Frage, wieso er das tat, antwortete er, dass er wissen wolle, was den Unterschied zwischen dem Leben und dem Tod ausmachte. Auf dem Heimgelände stellte er Katzen nach, die er, laut Heimleitung, sadistisch tötete.
Als Jugendlicher ging er zu größeren Tieren über. Es konnte ihm nie nachgewiesen werden, aber seine nächtlichen Streifzüge deckten sich mit der Misshandlung von Pferden in der Gegend, insbesondere schwangere Stuten wurden am nächsten Morgen mit aufgeschlitztem Bauch gefunden.
Mit der Volljährigkeit trat er ins Berufsleben ein und bezog seine erste eigene Wohnung. Die Lehre zum Dachdecker hatte er zwar abgeschlossen, doch schmissen ihn die wechselnden Arbeitgeber bald wieder hinaus, da er als unzuverlässig galt und bei Zurechtweisungen aggressiv wurde.
Mit einem alten Toyota, den er sich von dem wenigen Geld hatte leisten können, streifte er nachts scheinbar ziellos durch die Gegend. Erste Beschwerden von Prostituierten bei der Polizei über einen irren und sadistischen Freier kamen auf. Einer soll er nach dem gescheiterten Geschlechtsverkehr wegen Erektionsschwierigkeiten eine selbstgebaute Waffe in die Hand gedrückt und sie gebeten haben, ihn zu erschießen. Als sie es nicht tat, nahm er ein Tapeziermesser und machte sich über die Gefesselte her. Schwer im Unterleib und an den Geschlechtsorganen verletzt, überlebte sie nur knapp. Ein LK W-Fahrer las die stark blutende Frau am Straßenrand auf.
Wenige Wochen später die erste Tote. Man fand sie ohne Kopf und Hände im Graben einer einsamen Nebenstraße. Kurz darauf die nächste. Auch ihr fehlten Hände und Gesicht. Letzteres war mit einem Stein derart zertrümmert, dass eine Identifikation nicht mehr stattfinden konnte. Die Ermittlungen ergaben schwere, auch innere Verletzungen, die ein scheinbar von Hass zerfressener Mörder an seinen Opfern verübte, bevor er sie tötete.
Das dritte Opfer, eine achtzehnjährige Holländerin, war auf dem Weg nach Italien per Anhalter unterwegs. Sie war laut Zeugenaussagen in einen alten Toyota eingestiegen und nicht mehr
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