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Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Titel: Und ewig währt die Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Try
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jetzt, fast dreißig Jahre später, hatte sie Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern. Die Kirschblüten an späten Frühsommerabenden rochen manchmal ähnlich, aber etwas fehlte ihnen, eine leicht säuerliche Note.
    Ihre Gedanken wurden vom Telefon auf dem Badezimmerregal unterbrochen.
    Parisa erhob sich, stieg aus der Wanne auf die warmen Fliesen und griff nach ihrem flauschigen Badehandtuch. Ehe sie abnahm, warf sie einen schnellen Blick aufs Display.
    «Hej, Lasse.» In ihrer Stimme schwang immer noch ein leichter schwedischer Tonfall mit.
    «Das hat ja gedauert. Warst du schon im Bett?»
    «Nein, hab ferngesehen …»
    Parisa schüttelte den Kopf, um das Wasser aus den Ohren zu bekommen.
    «Lykke hat eben angerufen, von seiner Hütte aus. Wir haben einen Mord in Grønland. Wohl ziemlich übel. Der Chef kommt heute abend noch zurück. Er will, dass wir beide uns die Sache ansehen. Tøyengata 21.»
    Parisa war schon dabei, einen sauberen Slip aus der Kommode unter dem Waschbecken zu angeln.
    «Bin in zwanzig Minuten da», sagte sie.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 2
    Rolf Gordon Lykke hakte den roten Auffangsack in den Rasenmäher ein, richtete sich auf und schlug mit dem Kopf gegen das graue Schieferdach.
    «Au, verflucht …»
    Der kleine rote Bootsschuppen war in den 1920er Jahren gebaut worden, offenbar von einem Fischer, der entweder besonders klein war oder einen Eisenschädel hatte. Beides traf auf Lykke nicht zu. Er rieb sich den Kopf mit dem kurzen, grauen Haar, schloss die Tür und musste mit dem Stiefel nachhelfen, um sie in den verzogenen Rahmen zu drücken. Er hätte den Schuppen im Sommerurlaub reparieren sollen. Neue Türangeln hatte er bereits gekauft, sie lagen zusammen mit anderem Material säuberlich gestapelt unter dem Dach an der Rückseite des Schuppens. Die vier kleinen Scheiben im Fenster zum Meer hin waren zerbrochen und drohten herauszufallen. Anstatt durch Kitt wurden sie nur noch durch ein paar krumme, verrostete Nägel gehalten.
    Lykke entfernte einige morsche Holzsplitter um den Eisenriegel herum. Die Unordnung quälte ihn. Nur Geldverschwendung war schlimmer. Was er in Kindertagen gelernt hatte, saß tief: Man bezahlt keine Handwerker für Arbeiten, die man selbst erledigen kann.
    Er drehte sich um und betrachtete das spiegelglatte Meer im schwachen Licht der Außenlampe. Ein seltener Anblick um diese Jahreszeit. Im November blies normalerweise ein steifer Nordwestwind über den Sund und rüttelte an Vertäuungen und wackligen Stegen. Eine Eiderentenfamilie hatte sich auf den Felsen nur wenige Meter vom Ufer entfernt niedergelassen. Drei von fünf Küken waren jetzt noch übrig. Vermutlich kein schlechtes Ergebnis, wenn man an all die Möwen dachte, die Anfang Mai über den kleinen Flaumbällen gekreist waren. Er hatte auf dem Steg gestanden und hektisch mit einem Bootshaken gewedelt, während er hilflos zusehen musste, wie eine Mantelmöwe sich eins der wenige Tage alten Küken schnappte und es in Sekundenschnelle verschlang. Das war ihm nahegegangen, trotz seiner dreißig Dienstjahre im Dezernat für Gewaltverbrechen. Inzwischen waren die jungen Enten so groß, dass er sie kaum von ihren Eltern unterscheiden konnte.
    «Fährst du schon wieder?»
    Lykke drehte sich um, als er den breiten Bohuslän-Dialekt hörte. Guy Gunnarsson war fast nicht zu unterscheiden von den unzähligen Netzen, Plastiktonnen und nicht zuletzt dem Gerümpel, das sich wie immer auf seinem grauen Betonsteg türmte.
    «Ich muss zurück. Wir haben einen neuen Fall …»
    «Mord?»
    «Sieht so aus.»
    Der alte Fischer schüttelte den Kopf und spuckte seinen Snus in den Schnee.
    «So ’n Scheiß», murmelte er.

    Lykke blickte zu dem roten Haus hinauf. Seine Sommerhütte, wie er es gern nannte. Ein Schnäppchen. Er hatte es an einem Spätsommertag 1989 aus einem Impuls heraus für 540000 Kronen gekauft. Heute war das einhundertdrei Jahre alte Waschhaus inklusive Außenklo, windschiefem Bootshaus und noch windschieferem Anlegesteg ein Vielfaches wert. «Eine Spitzenlage», hatte der schwedische Immobilienmakler gesagt. Und das war kaum übertrieben. Das Haus stand nur acht Meter vom Ufer entfernt auf einer Insel fünf Kilometer südlich von Strömstad. Lykke hatte zwei Nachbarn: Familie Alm gehörte ein großes weißes Haus mit gemauertem Steg, und der achtundsiebzigjährige Guy Gunnarsson war Fischer im Ruhestand und hatte fast sein ganzes Leben in dem kleinen grauen Haus verbracht, das an der äußersten

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