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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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zögerte sie. Sicher war nur, ohne Georg würde sie in ihrem Buch nicht mehr weiterkommen.
    Sie könnte ihn also bitten. Er würde ihr seine Hilfe nicht verweigern. Allerdings machten seine verkrampften Bemühungen, sie weder direkt anzusehen noch zu berühren, auch sie immer ganz steif und verlegen. Was dazu führte, dass die angespannte Stimmung zwischen ihnen stets wuchs.
    „Ich kriege das hier nicht raus.“
    Sie hatte ihren Entschluss ganz plötzlich gefasst. Ihren Zeigefinger auf die Textstelle legend, sah sie zu Georg hinüber. „Möchtest du mal ein Auge riskieren?“
    Sichtlich erschrocken über ihre vermeintliche Unverfrorenheit hob er seine beiden. „Was?“
    „Der Kempen wirft mich heute aus der Bahn“, erklärte Mathilda und grinste dabei entwaffnend, wie sie hoffte. „Aber vielleicht bin ich auch nur dumm wie Bohnenstroh.“
    „Ah ja.“ Georg hob das Kinn und sah immer noch reichlich verwirrt aus.
    Würde er verstehen? Mathilda konnte ihm ansehen, dass er angestrengt nachdachte.
    „Lass uns die Passage ... erst noch einmal ins Visier nehmen“, sagte er dann langsam. „Vielleicht ist bei dir doch noch nicht Hopfen und Malz verloren.“
    Er hatte verstanden. Mathilda strahlte ihn an. „Dir kann ich diesbezüglich wirklich nicht das Wasser reichen.“
    „Aber aus dem Stegreif sprechen kann ich auch nicht“, sagte Georg, nun ebenfalls lächelnd, und zog das Buch zu sich herüber. „Wo hat dich dein Latein im Stich gelassen?“
    Mathilda zeigte ihm die Stelle. „'Aber das ist groß, das ist recht groß, des menschlichen und des göttlichen Trostes entbehren zu können, und um der göttlichen Ehre willen gern ...', weiter komm ich leider nicht.“
    „Na, dann will ich mal sehen, dass ich nicht ins Fettnäpfchen trete“, murmelte Georg und übersetzte fast fließend:
    „'... die Verbannung des Herzens ... auszuhalten und sich selbst in keinem Ding zu suchen und nirgends auf eigene ... Verdienste zu blicken.'“
    „Danke“, sagte Mathilda und lächelte. „Ich war sicher, dass du mich nicht hängen lassen würdest.“
    „Wer 'A' sagt, muss auch 'B' sagen“, erwiderte Georg gelassen und vertiefte sich wieder in seinen Text.
    „Was willst du damit andeuten?, fragte Mathilda und fand dieses Zitatengespräch auf einmal großartig. „Willst du mich jetzt zur Minna machen?“
    Da musste Georg lachen. „Nicht direkt, aber du musst zugeben, bei dir ist nicht alles in Butter.“
    „Das schlägt doch dem Fass dem Boden aus“, lachte sie zurück. „Aber jetzt lass uns einen Zahn zulegen, denn sonst kommt unser Lehrer und denkt, wir hätten blau gemacht.“
    „Da brat mir doch einer einen Storch.“ Georg setzt sich wieder gerade hin und zog seine Unterlagen heran. „Den Ärger, den wir dann kriegen würden, möchte ich lieber nicht ausbaden müssen.“
    Die Stimmung, in der sie danach weiterarbeiteten, war um Längen gelöster als zuvor. Mathilda ging die Übersetzung leichter von der Hand und auch Georgs Lesezeichen bewegte sich fast wieder im alten Tempo über die Seiten.
    Wozu doch Redensarten alles gut waren! Mathilda dachte an Pater Arnos Worte im Finsteren Gang zurück. Damit hatte er ihr damals auch geholfen. Wie sie gerade Georg. Jetzt war sie wieder zuversichtlicher. Georg und sie würden dies hier schon schaffen. Und für den verstimmten Pater Arno würde ihr sicher auch noch eine Lösung einfallen. Alles würde wieder gut werden!

Dienstag, 20. Dezember 1521
    Die Träume beginnen
     
    Denn wo viel sorgen ist, da komen Träume. Vnd wo viel wort sind, da höret man den Narren.
    Altes Testament, Prediger 5, 2
     
     
    Tagsüber lief alles gut. Im Unterricht hatte sich schließlich doch noch eine Art Gleichgewicht eingestellt. Arno achtete darauf, seine Aufmerksamkeit vor allem bei den beiden jungen Männern zu belassen und sich nicht mehr zu Mathilda zu setzen. Sämtliche ausufernde Inhalte hatte er fürs erste gekänzelt und sie den Kempen stur von vorne beginnen lassen. Die Fragen, welche diesen Kapiteln sehr viel spärlicher entsprangen, bemühte er sich, sachlich und knapp zu beantworten. Dennoch aufkeimende theologische Diskussionen delegierte er an Georg – immerhin sollten die beiden jungen Leute ausreichend Gelegenheit erhalten, ihr wachsendes Verlangen nacheinander zu entdecken.
    Georg war nach wie vor verliebt, daran hegte Arno keinen Zweifel – auch wenn der Junge sich noch immer verzweifelt bemühte, seine Gefühle zu verbergen. Nun, in Arnos Beisein hätte er

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