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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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seine Nachricht nicht aushändigen würde - ihr sagen, wie es um ihn stünde, würde man doch wohl?
    Es war also ein schlechtes Zeichen, dass sie bisher noch nichts von ihm gehört hatte.
    Wiederum war es alleinig Pater Arno, von dem sie Hilfe erhoffen konnte, denn schließlich hatte er sich Argumenten gegenüber immer aufgeschlossen gezeigt. Bisher. Jetzt jedoch war er für nichts mehr erreichbar und Mathilda überlegte, wie groß ihr Regelverstoß wohl wäre, wenn sie sich einfach einen Bogen Pergament nehmen würde?
    So oft sie auch daran dachte, sie ließ es. Immerhin musste ein Brief ja nicht nur geschrieben, sondern auch zu ihrem Vater gebracht werden. Etwas, was sie unmöglich selbst bewerkstelligen konnte. Und deshalb gab sie ihr Vorhaben schließlich wieder auf. Allerdings mit dem Vorsatz, es zu gegebener Zeit wieder aufzunehmen. Pater Arno mochte gerade eine schlechte Phase haben, aber es würde sich doch alles wieder einrenken.
    Bis dahin aber brauchte sie eine Möglichkeit, den Umgang mit Georg unbefangener gestalten zu können. Für sie beide. Sie musste sich nur etwas überlegen.

Georgspiele
     
     
    „Ich gehe wieder nach oben“, sagte Pater Arno knapp, nachdem er sie nach Nona in den Unterrichtsraum zurückbegleitet und sich vergewissert hatte, dass sie mit Lernstoff wohlversorgt waren. „Arbeitet einfach weiter.“
    Mathilda sah ihm nach, wie er aus dem Raum ging und die Türe hinter sich schloss. Er musste gewaltigen Ärger haben. Diese 'schlechte Phase' wollte und wollte kein Ende nehmen.
    So einfach und leicht es ihr früher hier in der Unterrichtsstube erschienen war, jetzt war alles kompliziert geworden. Denn auch bei Georg hatte sich inzwischen nichts geändert. Er saß zwar da wie immer, hatte seine Nase in seinen Unterlagen vergraben und wirkte sehr konzentriert. Doch Mathilda wusste, er tat nur so. Sein sich beständig langsamer verschiebendes Lesezeichen, das er als Zeilenhilfe benutzte, sprach da eine deutliche Sprache. Früher war es manchmal geradezu über die Seiten geflogen. Heute dagegen schlich es, stetig langsamer werdend, über ein paar Zeilen, um schließlich irgendwo endgültig liegen zu bleiben.
    Er litt so offensichtlich, dass es Mathilda manchmal richtig wütend machte. Was konnte sie dafür? Warum mussten sie alle hier um irgendjemanden leiden? Georg litt zwar ihretwegen, sie aber um Sebastian!
    Wenn ihr Zorn dann wieder verraucht war, hätte sie Georg gerne geholfen. Die Frage war nur, wie? Wie konnte sie es schaffen, dass zwischen ihm und ihr wieder ein leichteres Auskommen war?
    Manchmal war die Spannung im Raum mit den Händen greifbar. Dafür musste sie sich dringend einen Ausweg überlegen.
    Eine ganze Weile dachte sie nach. Schließlich hatte sie eine Idee. Mit etwas Glück ... vielleicht? Dazu allerdings brauchte sie ein wenig Vorbereitung. Während sie sich Gedanken machte, zog Mathilda ihre Haube ein Stück nach hinten. Sie konnte es nicht haben, wenn ihr das Ding zu tief in sie Stirn rutschte. So, es saß wieder und – das andere auch. Zufrieden nickte sie. Sie war gut gerüstet. Sollte Georg also wieder ...
    Doch zunächst einmal beugte sie sich nach vorn und konzentrierte sich auf ihren Text. Seit sie im Kloster war, übersetzte sie 'Das Buch von der Nachfolge Christi'. Hatte sie in den ersten beiden Wochen noch einzelne Kapitel auswählen dürfen, nach Hartwigs dauerhafter Versetzung ins Skriptorium vor mehr als einem Monat hatte sie von Pater Arno die Weisung bekommen, von Anfang an zu übersetzen. Das ganze Buch, beziehungsweise alle vier Bände, aus denen der Kempen bestand. Mittlerweile war sie mitten in Buch zwei angelangt. Es ging um 'Ermahnungen zum inneren Frieden'. Trockene und schwere Kost für sie, die sie nicht wirklich interessierte.
    Zum wiederholten Male schon brütete sie über einer Textstelle, die sich ihr einfach nicht erschließen wollte. Aber das musste doch rauszukriegen sein. Sie kniff die Augen zusammen: 'Den menschlichen ... Trost zu ... verschmähen, wenn man den göttlichen hat, das ist nicht schwer.' So weit, so gut. Aber ab dann hatte es der Text in sich. 'Aber das ist groß, das ist recht groß ...' Heute wollte es nicht gehen. Was war denn so groß?
    Sie hob den Kopf und warf einen Blick auf Georg, der mit gerunzelter Stirn die griechischen Buchstaben in seinem Buch anstarrte, als würden sie ihm gerade ein zweifelhaftes Tänzchen vorführen. War jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, ihren Plan in die Tat umzusetzen? Noch

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