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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Ansprechpartnerin dafür.
    Allzu gerne hätte Mathilda sich mit jemandem darüber unterhalten, Elisabeth schien ihr diesbezüglich kompetent zu sein, aber genau damit stieß sie mitten hinein in den Bereich, der ihr nach wie vor Schwierigkeiten bereitete. Und das in einem Maß, dass sie nicht sicher war, ob es die Verzückung aufwog, zuweilen in die Herrlichkeit Gottes eintauchen zu dürfen, wie sie es insgeheim nannte.
    Es gab nämlich kaum Gelegenheiten, legitimerweise und ungestört mit einer der anderen Nonnen sprechen zu können.
    Die einnehmenden Gebetszeiten, die täglich wiederkehrenden Rituale der Horen, des Kapitels, der Arbeit, des Essens und schließlich die vielen Stunden des Schweigens gestalteten den Austausch untereinander sehr schwierig. Selbst jetzt, zwei Monate nach ihrem Eintritt, hatte Mathilda noch nicht mit allen Konventsmitgliedern gesprochen. Und sie litt darunter, mit keiner der Nonnen Freundschaft pflegen zu dürfen.
    Genau dieser Leidensdruck, der Mangel, der daraus resultierte, bewog sie dazu, immer wieder gegen die Klosterregeln zu verstoßen, indem sie sich mit Katharina traf. Nicht täglich, nur ab und zu, verstohlen und während des Nachtsilentiums.
    Regelmäßig abends war Katharina nämlich mit Elisabeth zusammen, die all ihre Bedenken überwunden zu haben schien. Was Katharina dazu veranlasste, tagsüber strahlend gut gelaunt zu sein.
    Sie war so offensichtlich glücklich und zufrieden, dass es über kurz oder lang auch den anderen auffallen musste.
    Katharinas Glück jedoch förderte Mathildas Redebedarf, die sich zunehmend einsam fühlte. Schweigen war einfach nichts für sie. Und mit der Puppe zu spielen auch nicht. Sie hatte es ernsthaft probiert, kam sich aber albern vor, einem Ding aus Wachs und Haaren Schlaflieder vorzusingen oder es in den Armen zu wiegen. Und so hatte ihr Trösterlein einen Dauerschlafplatz in der Kommodenschublade gefunden, wo es, inzwischen in hastig und pflichtschuldig zusammengenähter Kleidung, ein trostloses Puppendasein fristete.
    Ein weiterer Bereich, der unter die Kategorie 'schwierig' fiel, war das tägliche Kapitel. Mathilda hatte nicht nur eine Abneigung dagegen, sie verabscheute es mit einer Inbrunst, vor der sie sich manchmal sogar fürchtete. Jeden Tag nach der Arbeit bereitete sie sich darauf vor, angeklagt zu werden. Gründe, das wusste sie nun aus Erfahrung, würde es immer geben. Und dass sie die lieferte, war ihr auch klar. Immerhin wurde sie regelmäßig von Mutter Örtlerin zur Seite genommen. Sie rede zu viel, sie lache zu viel, sie sei zu unbeschwert, sie bringe den ganzen Konvent durcheinander, die anderen Nonnen störe dies, die anderen störe das ...
    Anfangs hatte es die Äbtissin noch bei Ermahnungen belassen. Doch im Laufe der Wochen war sie schärfer geworden. Aus den Appellen waren Rügen geworden, die dann und wann Strafen nach sich gezogen hatten.
    Mathilda hatte sich ernsthaft bemüht. Aber wie sollte sie noch weniger sprechen? Wie sollte sie ihr Lachen einstellen, wie ihr ganzes Wesen so verändern, dass es hierher passte? Sie konnte sich doch nicht komplett umkrempeln!
    Sie konnte und wollte nicht auf die Freundschaft mit Katharina und Edeltraud verzichten. Außerdem wäre es damit noch lange nicht erledigt. Selbst wenn sie alle Regeln eisern einhielte, so gab es immer noch eine Vielzahl nicht begreifbarer Gründe, weshalb man dennoch angeklagt werden konnte.
    So war Schwester Steudlin im Kapitel gelegen, weil sie während des Essens Nasenbluten bekommen hatte und aus dem Refektorium gelaufen war, um die Blutung zu stillen und sich zu reinigen.
    Die Schönin – nicht dass Mathilda etwas dagegen gehabt hätte, seit ihrer Intrige gönnte sie ihr jede Strafe von Herzen – hatte für einen Tag in der Waschküche arbeiten müssen, weil sie das Kapitel verlassen hatte, um den Abtritt aufzusuchen. Am Tag darauf war sie krank geworden und hatte einige Zeit auf der Krankenstation verbringen müssen, was die bereits verhängte aber noch nicht abgebüßte Strafe jedoch weder verhindert noch gemildert hatte.
    Es konnte passieren, dass man angeklagt wurde, weil sich eine der Nonnen mürrisch behandelt gefühlt hatte. Und es gab dann keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Wer angeklagt wurde, war dadurch mundtot und musste büßen.
    Es gab keine Sicherheit. Sich an die Klosterregeln zu halten, stellte lediglich einen geringen Schutz dar, gegen Denunziation und Willkür half es gar nichts.
    Das einzige, was gegen ihre Angst helfen

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