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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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will nicht mehr mein Lehrer sein. Aber heute – Ihr sagtet, er sei krank.“ Sie warf Pater Heussgen einen verzweifelten Blick zu. „Vielleicht war er das schon die ganze Zeit. Vielleicht geht es ihm genauso wie ...“
    Schon wieder diese Tränen! Sie hob das Tuch und legte ihr Gesicht hinein.
    „Ihm geht es gut. Morgen ist er wieder hier“, hörte sie Heussgens energische Stimme. „Und jetzt schreibt Ihr Eurem Vater und gebt mir den Brief. Ich werde dafür sorgen, dass er ihn auch bekommt.“
    „Wie?“
    Die Frage war ihr nur herausgerutscht. Aber sie war wichtig. Wie wollte Pater Heussgen einen Brief aus dem Kloster und zu ihrem Vater bringen?
    Zu ihrer Erleichterung schien diese Frage dem Pater nichts auszumachen, denn er warf ihr einen amüsierten Blick zu.
    „Ihr müsst alles ganz genau wissen, nicht?“
    Mathilda folgte ihm mit den Augen, wie er zu seinem Tisch ging, etwas holte und zurück zu ihr kam.
    „Damit.“
    Er hielt ihr ein Siegel entgegen. Zwei Buchstaben, 'o' und 'e' standen darauf.
    „Oekolampadius“, sagte Pater Heussgen. Und, als sie darauf nicht reagierte: „Heussgen bedeutet soviel wie Hausschein. Und auf griechisch Oekolampadius. So werde ich auch genannt.“
    „Ihr wollt Euer Siegel auf meinen Brief ...?“
    „Hier abgeben kann ich ihn nicht, mein Schriftverkehr wird nämlich auch zensiert“, lächelte Pater Heussgen sie breit an. „Aber ich kann völlig unzensiert gehen, wohin ich will.“ Er zwinkerte ihr zu und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Wenn Ihr mich nicht verratet, gebe ich Euch ein Geheimnis preis. Morgen werde ich einen Freund in der Nachbarschaft besuchen, der all meine Briefe nach Augsburg bringt, wo sie weitergeleitet werden. Diesen Brief wird er mitnehmen. Ich nenne Euch die Adresse, dahin soll Euer Vater seine Antwort schicken. Alles klar?“
    Mathilda nickte, senkte dann den Kopf und schrieb eilig:
    'Geliebter Vater! Wie geht es Euch? Seid Ihr wohlauf? Ich bin in tiefer Sorge, weil ich nichts von Euch höre.
    Mir geht es hier gut. Das Klosterleben fällt mir zwar nicht immer leicht, aber ich gewöhne mich langsam daran. Macht Euch also um mich keine Gedanken, aber bitte schreibt, wie es um Euch steht!'
     
    Sie setzte einen Moment ab und überlegte, dann holte sie  wieder Tinte und schrieb weiter.
     
    'Lieber Papa!
    Ich schreibe unerlaubterweise und gebe den Brief Pater Heussgen mit, der ihn an dich weiterleiten wird. Wenn du mir zurück schreibst, musst du deinen Brief unbedingt an seine Adresse richten. Er wird ihn mir dann aushändigen. Solange ich nicht geweiht bin, darf ich hier weder schreiben noch Briefe empfangen.
     
    In tiefer Liebe, deine Tochter Mathilda'
     
    Nachdem ihr Pater Heussgen die Adresse genannt hatte, verschloss sie den Brief und gab ihn weiter.
    „Lang ist er nicht“, sagte sie. „Er besteht eigentlich nur aus meiner Frage.“
    „Fürs Erste wird das wohl so gehen“, sagte Pater Heussgen, nahm die Siegelkerze zur Hand und entzündete sie.
    Mathilda sah genau zu, wie er den Brief mit einigen Tropfen dunkelroten Wachses versiegelte und seinen Stempel darauf drückte. O und e, ineinander verschlungen. Sonst nichts.
    Ihr nur einen stummen Blick zuwerfend, steckte er den Brief schließlich unter sein Skapulier.
    „Das wäre also erledigt. Aber jetzt geht hinüber in Euren Konvent, sonst erwarten Euch dort die nächsten Probleme.“
    Sie schickte ihm noch einen Blick voller Dankbarkeit und machte sich auf den Weg.

Wenn der eine die Wahrheit nicht hören will ...
     
     
    „Arno, mein Freund!“ Schon wieder Heussgen. Kaum dass Arno, auf dem Weg zum Abendessen die Halle betreten hatte. Was in Gottes Namen war es, was ihn sich permanent so fühlen ließ, als wäre er in die Falle getappt?
    „Geht es dir besser?“
    „Äh ... ja, ich danke dir.“ Stimmt, Kopfschmerzen hatte er vorgeschützt. „Die Ruhe in meiner Zelle hat mir gut getan, ich danke dir.“
    Die blödsinnige Wiederholung war Heussgen anscheinend nicht aufgefallen.
    „Ich wollte mit dir sprechen“, begann der – und sein gewollt beiläufiger Tonfall versetzte Arno in Alarmbereitschaft. Ging es um Hartwig? So oft Arno zu dem Jungen geflohen war in letzter Zeit und ausgiebige Blicke über dessen Schulter geworfen hatte, so wenig hatte er sich mit dessen Innenleben beschäftigt. Schlicht abgelenkt war er gewesen. Ein schlechter Lehrer!  
    „Ich werde uns eine Portion Suppe holen. Wollen wir dann bei dir zusammen essen?“, schlug er schuldbewusst

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