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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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nur ein Symbol. Ein Symbol für Rosa, seine Schuld. Oder vielleicht eher für Aurelia. Ja, dieser Vergleich war passender. Aurelia war die Versuchung auf seinem Weg zur Priesterschaft gewesen, und Rosa war nur passiert, weil er dieser Versuchung nachgegeben hatte. Und das würde er kein zweites Mal!  
    Er wurde im Schlaf von der Sünde heimgesucht. Dafür konnte er nicht. Solange er sich dieser Sünde wieder verschloss, sobald er wach war, sündigte er nicht. Nein, er hatte nicht gesündigt und würde es nicht. Nicht im Wachzustand. Niemals.
    Ein weiteres Mal ließ Arno sich auf den Rücken fallen. Er war sicher! Er war stark! Er, der Meister seiner Vernunft! Er, dessen Denken eine Beharrlichkeit und Stärke aufwies, die von allen Mitbrüdern und insbesondere der Äbtissin bewundert wurde. Er würde diese Versuchung meistern.
    Mit einem tiefen Seufzer wälzte er sich auf die andere Seite. Spürte die mit dieser Lageveränderung einhergehende Entspannung und drehte sich vorsorglich wieder auf den Rücken. Dennoch war es eigentlich ganz einfach. Er hatte einen Plan, Sandizell würde seinen Vortrag halten und Mathilda würde verschwinden. Es war einfach. Er würde es schaffen!
     
    Er würde es schaffen. Hatte den Rest der Nacht geschafft, das Grab, die erste Hore, das Hochamt. Hatte in der Morgenbesprechung geschafft, die Örtlerin für die Klostergeschichte zu begeistern und einen Termin zu bekommen – morgen. Er hatte geschafft, Georg seine neue griechische Lektüre zukommen zu lassen und ihn mit dazugehörigen Aufgaben eingedeckt. Zwischendurch hatte er immer wieder das Grab aufgesucht und gebetet. Und eben, in Sexta, hatte er sich tatsächlich besser gefühlt.
    Nun, da er sich allmählich wirklich zum Unterricht begeben musste, hatte sich dieses Gefühl allerdings wieder verflüchtigt. Langsam verließ er den Konvent und wandte sich in Richtung Bibliothek. Die Beklommenheit machte seine Bewegungen fahrig. Nein, er wollte eindeutig nicht dorthin, er wollte in seine Zelle und weiterbeten. Nicht unter Menschen sein, nicht unter Math... Er stöhnte auf. Wie sollte er ihre Gegenwart überstehen, wie sollte er denken und reden und gehen, während sie ...?
    Das ist die Müdigkeit. Ich bin nur müde. Was ja gut ist. Ich werde schlafen können. Schlafen, ohne sie zu ... Oh Gott, er war müde. Unzurechnungsfähig und erschöpft und schwach. Wenn er wenigstens noch Zeit gehabt hätte, sich vorher kurz ans Grab zurückzuziehen. Doch er war schon jetzt zu spät.  
    War es wirklich nötig, sich Tag für Tag wieder dem Unterricht auszusetzen? Könnte er den nicht einfach vollständig an Hartwig abgeben? Zumindest heute. Starke Kopfschmerzen, damit hatte er es doch neulich auch geschafft. Und eigentlich habe ich auch welche, ich habe wirklich Kopfweh.  
     
    Er beachtete sie gar nicht – sie sah auch ganz anders aus als im Traum. Mit dieser grauen Haube, ihr Haar im Nacken zu einem großen Knoten zusammengeschlungen und als Beule darunter gequetscht. Hastig riss er seinen Blick davon weg. Er würde sie nicht ansehen, und er würde schon gar nicht auf ihr Haar gaffen!
    „Ihr müsst heute ohne mich auskommen, ich habe schreckliche Kopfschmerzen und werde mich erst einmal zum Beten in die Kirche zurückziehen.“
    Hartwig nickte. Mit gerunzelter Stirn, aber ergeben.
    Arno wollte sich abwenden, ehe sie ...
    „Gute Besserung!“
    Er wollte nicht stoppen.
    Ihre Augen verlangten ihn. Seinen Mund vor Anstrengung verziehend, versuchte er, sie nicht noch einmal sehen zu müssen. Ihre Lippen, lächelnd, nur verschwommen in seinen Augenwinkeln, während er sich endlich von ihnen wegdrehte.
    Vater unser im Himmel, gegrüßet seist du, Maria, der Herr ist mit mir, und führe mich nicht in Versuchung ...
    Seine Beine rannten. In die Kirche. In die Sicherheit, die die früher bedeutet hatte. Als er Gott noch dort angetroffen hatte.

Morgen, Nonnen, wird’s was geben!
     
     
    Am Ende des Kapitels machte Mutter Örtlerin überraschenderweise noch eine Ankündigung: „Prior Palgmacher hält es für wichtig, nein sogar für unerlässlich, den Konventualen die Klostergeschichte nahezubringen. Aus diesem Grund findet morgen während der Rekreation ein entsprechender Vortrag im Skriptorium statt. Bruder Sandizell wird uns von den Anfängen unseres Konvents berichten.“
    Sie stand inmitten des Kapitelsaales und sah sich nach allen Seiten um. „Wer Interesse hat, möge sich melden. Niemand wird gezwungen. Wer lieber die Rekreation in der

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