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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ruhigerer Stimme fest. „Keine Mönche, keine Männer, niemand. Hier ist Klausurbereich, und der Tag, an dem ein Mann hier eindringt, wird niemals kommen.“
    Sie ließ ihre Augen durch den ganzen Saal schweifen. „Aber ich habe noch immer keine Idee, was ich tatsächlich tun soll.“
    Mathilda auch nicht. Sie kannte das Skriptorium – von der Männerseite her. Aber sie wusste, dass der Frauenteil der kleinere war, und war sicher, dass er, selbst wenn sich die Nonnen eng zusammendrängen würden, für den gesamten Frauenkonvent zu klein wäre.
    „Lasst doch einfach die Tür auf“, sagte Mutter Klöblin verstimmt. „In den Korridor passen dann schon alle.“
    Das war die Lösung! Mathilda hätte auflachen mögen. Der Flur vor dem Skriptorium war wirklich groß - und die doppelflügelige Türe breit genug.
    Selbst Mutter Örtlerin gefiel diese Idee.
    „Nun, dann machen wir es so, dass die älteren Nonnen einen Sitzplatz im Skriptorium bekommen, die jüngeren stehen hinten oder draußen.“ Sie warf einen sehr strengen Blick in die Runde: „Aber ich wünsche absolute Disziplin dabei!“

Erbrecht und Krankheit
     
     
    „Hat es hier schon öfter Veranstaltungen gegeben wie den für morgen angekündigten Vortrag?“
    Mathilda, in ihrem Bett eng an Katharina gekuschelt, hatte ganz beiläufig gefragt, nichtsdestotrotz wartete sie gespannt auf deren Antwort. Aufgrund Mutter Örtlerins Unsicherheit bezüglich des Vortragsortes vermutete sie das allerdings nicht.
    „Ich habe es weder selbst erlebt, noch hat jemand etwas Entsprechendes erzählt.“ Katharina schüttelte den Kopf. „Es scheint etwas völlig Neues zu sein.“
    Sie setzte sich auf, pustete die Kerze aus und legte sich mit einem wohligen Seufzer zurück. „Ich bin genauso gespannt wie du.“
    Ja, gespannt war Mathilda. Wenn sie Mutter Örtlerin recht verstanden hatte, würde morgen der ganze Konvent zusammenkommen. Männer und Frauen in einem Raum, lediglich durch ein Gitter voneinander getrennt.
    Doch Katharina war schon bei einem anderen Thema angekommen:
    „Du hast mir nie erzählt, warum du ins Kloster gekommen bist.“
    „Das ist eine lange Geschichte“, antwortete Mathilda. „Willst du das wirklich wissen?“
    „Wir haben Zeit“, sagte Katharina und bewegte den Kopf. „Und ich bin nicht wirklich müde. Du etwa?“
    Nein! Müde war sie wirklich noch nicht. Mathilda fühlte Katharinas Atem an ihrem Haar. Sie musste sich ihr zugewandt haben.
    „Es begann damit, dass die erste Frau meines Vaters starb.“
    „Auch im Kindbett, wie deine Mutter?“
    „Nein, sie war schon alt.“ Mathilda schüttelte den Kopf und fügte schnell hinzu, als sie Katharinas erstauntes Verharren fühlte: „So furchtbar alt auch noch nicht. Aber ihre Kinder waren schon erwachsen.“
    „Und da hat dein Vater wieder geheiratet?“
    Mathilda nickte. „Wenn du die ganze Geschichte hören willst, sollte ich ganz von vorne anfangen, nicht?“
    „Ist ja schon gut“, sagte Katharina. „Erzähle du nur. Ich unterbreche dich jetzt nicht mehr.“
    „Also gut“, setzte Mathilda erneut an. „Mein Vater und seine erste Frau hatten zwei Kinder. Friedemann und Radegunde. Friedemann war früh nach Burg Hart gekommen, zur Ausbildung. Dabei hatte er Sieglinde kennengelernt, geheiratet und lebte dort. Für die nun einsame Radegunde war ein Mädchen aus verarmtem Landadel ins Haus aufgenommen worden. Margarethe zu Liems, ein Jahr jünger als Radegunde. Die beiden hatten sich befreundet.“ Mathilda verhielt einen Moment und lauschte auf ihren Herzschlag, der sich beschleunigt hatte. Dies alles war schon lange her, vor ihrer Geburt geschehen. Warum also berührte es sie dann so? Sie holte tief Luft: „So sah es aus, als die erste Frau meines Vaters starb.“
    Katharina regte sich nicht und Mathilda fragte sich einen Moment, ob sie vielleicht eingeschlafen wäre.
    Doch dann hörte sie sie seufzen: „Erzähl weiter.“
    „Margarethe war natürlich zu ihrer Familie zurückgekehrt und Radegunde – nun ja, die verlobte sich schließlich nach Ablauf des Trauerjahres.“
    Mathilda stemmte sich auf ihren Ellenbogen und sprach leise in die Dunkelheit. „Zu ihrer Hochzeit kam auch Margarethe – als die Braut meines Vaters.“ Sie wandte den Kopf zu Katharina und sprach sie direkt an: „Kannst du dir das vorstellen? Mein Vater war über fünfzig und hatte sich mit der Freundin seiner Tochter verlobt. Absolut niemand fand das lustig. Und schon gar nicht Radegunde und Friedemann.

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