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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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unterschied.
    „Im Refektorium haben sie auch immer die ungünstigeren Plätze.“
    „Wie meinst du das?“
    „Na, ist es dir noch nicht aufgefallen? Sie sitzen während der kalten Jahreszeit an der Fensterseite, wo es hereinzieht. Im Sommer, wenn es dort angenehm ist, müssen sie mit den Chorfrauen tauschen.“
    Das war wirklich schreiend ungerecht und Mathilda wunderte sich einen Moment über Edeltraud, die davon betroffen, aber dennoch immer geduldig und freundlich und lieb war. Jetzt war sie einfach zu müde, um sich weiter darüber Gedanken zu machen. Ihr war warm, sie fühlte sich schwer und schläfrig. Sie murmelte leise: „Meinst du, sie bekommen auch nur dünne Decken und müssen frieren?“
    „Keine Ahnung“, seufzte Katharina langsam.
    Und dann schliefen sie.

Dienstag, 3. Januar 1522
    Unkeusche Träume
     
    Wir glauben, dass Gott uns immer wahrhaft gegenwärtig ist selbst in den Begierden des Fleisches, denn der Prophet sagt zum Herrn: Vor dir liegt all mein Begehren. Nehmen wir uns also deshalb vor einer schlechten Begierde in acht, denn der Tod steht ungut an der Schwelle der Lust. Daher nimmt die Schrift das vorweg und sagt: Komm nicht hinter deiner Begierde her!
    Aus den Regeln des Heiligen Benedikts von Nursia
     
     
    Nach Luft ringend, schoss Arno im Bett hoch. Starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Dunkel, auf seinen stoßweise gehenden Atem konzentriert – um ja nicht in diesen Traum zurückzufallen. Und etwas, wofür er nichts konnte, zur Sünde werden zu lassen. Er wartete. Bis sein rasendes Herz und ... der Rest seines Körpers sich beruhigt hatten.
    HIMMEL! Was war mit ihm geschehen?  
    Und warum hatte Rosa nicht wieder eingegriffen? Konnte er sich nicht einmal mehr auf seine Schuld verlassen?
    Wieso saß er jetzt hier – absolut hilflos, ausgeliefert, überfallen von ... Ja, wovon denn nur?  
    Verzweifelt versuchte er, die verirrten Fetzen dieses schrecklichen Traumes zu verscheuchen, stattdessen die Gedanken wiederzufinden, die normalerweise in seinen Kopf gehörten.
    Mein Gott, Du allein bist mein Leben. Durch Dich, Gott, bin ich, und alles, was ich sein könnte, sollst Du sein. Alles, was jenseits von Dir ist, will ich opfern, alles, was ich will und wollen könnte, bist Du!
    Es verstummte in ihm. Er schaffte es nicht. Noch immer trieben Bilder durch seinen Geist, und er benötigte sämtliche Konzentration, um nicht hinzusehen.
    Entkräftet ließ er sich zurückfallen, sein Rücken prallte hart auf seinen Strohsack. Er blinzelte. Konnte er riskieren liegenzubleiben?
    Das gesamte Gewicht seines erbärmlichen Körpers mit sich herumschleudernd, warf er sich auf die Seite, auf der er nicht einschlafen würde. Er hatte seinen Körper im Griff, sein Geist war es, der die Macht hatte, Arnos viel gerühmte Selbstdisziplin. Wenn er wach war.
    Warum wurde er derart gefoltert? Mit diesen Träumen, mit dieser Ohnmacht, mit dieser Einsamkeit – weil Gott ihn verlassen hatte?
    Herr, ich bin damals zu dir gekommen, weil ich allein gescheitert bin. Doch ich habe mich ehrlich auf dich eingelassen, habe mich mit allem, was ich bin, dir verschrieben. Und ich war glücklich!
    Was war das nur? Dass all diese Worte bedeutungslose Hüllen blieben, Fragmente, akustische Fetzen zwischen den bildhaften, die er nicht ansehen durfte. Arno konnte sie alle stumm durcheinanderwirbeln sehen. Doch er war nicht in der Lage wirklich zu verstehen, was sie meinten – geschweige denn, sie zu benutzen, um zu denken, zu Gott zu sprechen. War er selbst daran schuld? Weil er zu abgelenkt war, sich nicht genug um Konzentration bemühte? Oder gehörte das zu Gottes Strafe dazu?
    Aber was verlangte Gott denn noch? Er stand mitten in der Nacht auf, um noch vor Vigil eine Stunde am leeren Grab zu stehen. Um in jeder freien Minute dorthin zurückzukehren. Tag für Tag. Er fastete. Er verbrachte die Abende mit endlosen Gebeten, bis er sich nicht mehr auf den Knien halten konnte, um dann erschöpft auf sein Lager zu fallen und sofort in den Schlaf. Er riss sich daraus hoch, um morgens rechtzeitig am Grab zu sein ...
    Gut. Ich habe all die Jahre geglaubt, Du habest mir schon verziehen. Doch ich habe mich geirrt. Aber ich will jetzt alles tun, was Du von mir verlangst. Warum hörte Gott nicht auf, ihn zu strafen? Warum hörte Mathilda nicht auf, ihn zu ...?
    NEIN! Arno rappelte sich erneut hoch, stützte sich auf die Ellenbogen, hielt seine Augen weit geöffnet. Es ging nicht um Mathilda, nicht um ihre Person. Mathilda war

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