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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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oben und Schwester Thottin“, widersprach Katharina. „Aber die sind schon so lange dort, dass du sie beide nicht kennen kannst.“
    „Zwei Nonnen?“, fragte Mathilda. „Kommen die gar nicht mehr hier runter? Oder in den Frauenchor?“
    „Das können sie nicht“, antwortete Katharina. „Schwester Thottin hat ihr Gedächtnis verloren. Erst war sie nur vergesslich und hat immer das gleiche wieder erzählt. Doch dann ist es immer schlimmer geworden, bis sie gar nicht mehr wusste, wer und wo sie ist. Inzwischen muss sie gefüttert und gepflegt werden. Wie ein Kleinkind.“
    „Und die andere? Schwester Glaubrechtin?“
    Katharina zog die Schultern hoch. „Die hat eine schlimme Krankheit, die ihr sehr viele Schmerzen bereitet. Die Infirmarin sagt, dass es eine Gnade wäre, wenn sie sterben könnte.“
    „Deswegen also drei Gräber“, stieß Mathilda hervor. „Eins für Schwester Glaubrechtin, eins für Schwester Thottin und – eines für uns alle.“
    „Du sagst es.“
     
    Inzwischen war Mathilda wärmer geworden. Jetzt fühlte sie sich wohlig, entspannt – und müde.
    „Wir sollten schlafen gehen. Es ist sicher schon spät.“
    „Soll ... kann ich hier schlafen, bei dir?“, fragte Katharina.
    Auf Mathildas Nicken hin richtete sie sich jäh auf.
    „Dann geh ich meine Decken holen.
    Mathilda sah ihr nach, wie sie leise aus dem Raum huschte.
    Es war streng verboten, was sie hier taten. Und es würde Schwierigkeiten geben, wenn sie erwischt würden. Deswegen sollten sie es lieber lassen. Andererseits, es war so wunderbar warm. Was würde es Christus wohl bringen, wenn sie in ihren Betten froren?
    Christus hin oder her: Diese Regel war menschgemacht und reine Schikane. Mathilda hatte nicht die leisesten Skrupel, sie zu brechen. Und was die Konsequenzen anging: Was sollte schon passieren? Schlimmstenfalls mussten sie im Kapitel liegen, bekamen Zellenarrest oder Essensentzug. Katharina hatte gesagt, dass man sich daran gewöhnen könne, angeklagt zu werden. Dann war doch alles nicht so schlimm, oder?
     
    Kurze Zeit später lagen sie, vier Wolldecken und zwei Mäntel über sich, nebeneinander im Bett. Es war wunderbar warm. Und die Kerze war gelöscht. Im jetzt stockdunklen Raum war nicht einmal mehr die Hand vor Augen zu sehen.
    „Wie hast du den letzten Winter überstanden?“, fragte Mathilda und rückte sich noch ein bisschen zurecht. „Hast du da jede Nacht bei Elisabeth geschlafen?“
    Bei allem Verständnis für deren ausweglose Situation, so recht nachvollziehen konnte Mathilda ihren Wankelmut nicht.
    „Fast“, bestätigte Katharina. „Weil ich immer so gefroren habe.“
    „Sie nicht?“ Verwundert richtete sich Mathilda auf. „Ist es bei ihr wärmer?“
    „Nein“, lachte Katharina leise. „Aber sie hat eine richtig warme Decke.“
    „Was?“ Mathilda hob den Kopf und sah ihre Freundin erstaunt und empört an. „Willst du damit sagen, es gibt auch dickere Decken? Warum haben wir dann keine?“ Das Gespräch mit der Äbtissin kam ihr in den Sinn und die Klosterregel Nummer drei.
    „Die gibt’s nur für die guten Nonnen“, sagte Katharina mit spitzer Stimme.
    „Gute Nonnen?“, echote Mathilda. „Du meinst, eine gute Nonne ist eine, die sich an die Regeln hält und zur Belohnung muss sie im Winter nicht frieren?“
    Sie fühlte Katharina neben sich leise beben. Lachte sie?
    „Ob die Schönin wohl eine warme Decke hat?“
    „Genau das habe ich auch überlegt“, kicherte Katharina.
    „Es gibt also gute und schlechte Nonnen“, fasste Mathilda schließlich zusammen. „Und ganz offensichtlich gehören wir zu den schlechten.“
    „So formuliert Mutter Örtlerin das nicht.“ Katharina seufzte und zog die Decken noch ein wenig fester um sie beide herum. „Sie sagt, dass bewährte Schwestern auch einen Anspruch auf gewisse Vergünstigungen hätten.“
    „Bewährt und gewiss“, murmelte Mathilda müde. „Und ich dachte immer, es gäbe nur die Unterscheidung zwischen Chorfrauen und Laienschwestern. Jetzt gibt es also auch noch gute und schlechte Nonnen.“
    „Mach dir nichts draus“, antwortete Katharina. „Sei froh, dass du keine Laienschwester bist. Die haben es wirklich richtig schwer. Müssen die ganze harte Arbeit verrichten und werden ständig von irgendeiner Chorfrau gegängelt.“
    „Sie dürfen nicht einmal im Frauenchor beten“, ergänzte Mathilda. Nicht, dass sie selbst das als Vorteil empfunden hätte. Aber es war eben etwas, wobei man klar zwischen den Nonnen

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