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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Perversion an dieser Stelle beieinander lagen ...
    Nun, es blieb abzuwarten, wie es hierbei um Mathilda bestellt war. Dass sie im Augenblick weder zur Gruppe der Perfekten noch der Perversen gehörte, stand außer Zweifel. Bei ihr ging es um die Frage: War ihr Geist auf Dauer womöglich doch stark genug, die Bedürfnisse ihres Körpers zu eliminieren und sich selbst zur Perfektion hin zu entwickeln?
    Heute zeigte sich erneut, dass sich in ihrem Gemüt Körper und Geist durchaus die Waage hielten. Mathilda war in der Lage, sich durch ihre Leidenschaft für ihre Übersetzungsarbeit von ihren Ängsten ablenken zu lassen. Und, wie Arno wohlwollend feststellte, diese geistige Leidenschaft hielt sie obendrein davon ab, sich daran zu erinnern, dass sie in einem Geschenk ihres Verflossenen las. Ebenso wie die Anwesenheit Georgs – oder Hartwigs, welcher ja zumindest ihr Wörterbuch zu schätzen wusste. Heute standen er, Arno, und ihre gemeinsame Arbeit im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit.
    Die Zeit verging viel rascher, als sie vorankamen, und bevor sie die letzte Seite des Inhaltsverzeichnisses erreicht hatten, läutete es zu Nona.
    Vielen Dank, oh heiliger Benedikt, für diese ach so willkommene Unterbrechung der Arbeit!
    „Nach der Hore werde ich mich um die beiden Männer kümmern müssen“, erhob Arno sich bedauernd. „Ihr übersetzt allein zu Ende. Morgen besprechen wir die Ergebnisse.“
    Mathilda lächelte. Erst dann realisierend, dass sie aufspringen musste, um ihren Mitschülern zum Skriptorium zu folgen. Fasziniert blieben Arnos Augen für einen Moment an ihrem Zopf hängen, der schwer über ihren Rücken schwang ...
    Rasch setzte auch er sich in Bewegung, ihr nach. Ihnen nach. Allen, die sich jetzt dort oben versammelten. Singen und Beten.

… soll gewissenhaft Schweigen eingehalten werden
     
     
    Endlich alleine! Erleichtert schloss Mathilda die Tür hinter sich und blieb, tief Atem holend, dagegen gelehnt stehen. Dass sie einmal so froh wäre über ihre Rückzugsmöglichkeit in diese karge Zelle! Ihr ganz eigenes, kleines Zuhause in der gestrengen Welt des Klosters.
    Ihr Blick schweifte durch den winzigen Raum, blieb erst am Kruzifix und dann an der Kommode hängen. Nicht einmal hier war sie wirklich allein. Mit Jesus da am Kreuz konnte sie sich ins Gebet versenken. Mit dem Trösterlein jedoch - mit einem Ruck stieß sie sich ab und holte die Puppe aus der Schublade hervor. Nachdenklich betrachtete sie sie. Langsam dämmerte ihr, dass es manchmal schön sein konnte, eine Puppe herumzutragen und mit ihr zu sprechen. Die meckerte wenigstens nicht, schrieb nichts vor, ordnete nichts an, ermahnte und strafte nicht.
    Wenn Mathilda alleine an das heutige Kapitel dachte!
    Gut, es hatte keine Anklage gegeben. Aber die Äbtissin hatte aus den Klosterregeln der Heiligen Birgitta vorgelesen und die Nonnen dann gemahnt, sich diese mehr zu Herzen zu nehmen. Für Mathilda war das reichlich harte Kost gewesen. Armut, Demut, Keuschheit, die allgemeinen Klostergrundsätze waren ihr bekannt gewesen, die war sie bereits von Vater Sigismund gelehrt worden.
    Armut und Keuschheit sollten ja wohl kein Problem darstellen, überlegte sie. Hier im Kloster gab es schließlich keinerlei Luxus und nur - jetzt musste sie lächeln – Mönche. Aber selbst die waren weit weg. Dagegen hatte es die Demut gewaltig in sich. Gehorsam hieß das in erster Linie. Ganz besonders natürlich gegenüber Gott. Da waren die Gebetszeiten einzuhalten, an den Messen teilzunehmen, an die privaten Andachten und Besinnungen zu denken. Für einen Klosterbewohner kein Problem. Aber es bedeutete eben auch den Gehorsam Gottes Sprachrohren gegenüber. Und das bereitete ihr große Schwierigkeiten, wie sie bereits mehrfach festgestellt hatte. Und würde das wohl auch weiterhin tun. Sie als jüngstes Konventmitglied schuldete schlicht jedem Gehorsam.
    Mathilda seufzte tief auf, wickelte das Jesuskindlein ein wenig fester in die Haube ein und stopfte es in seine Schublade zurück. Am Ende ihrer Sorgen war sie damit aber noch lange nicht angekommen. Da gab es schließlich noch den Gehorsam gegen die Klosterregeln.
    Die Äbtissin hatte ganz allgemein gesprochen und alle ermahnt, schließlich habe jede einzelne Nonne jemanden oder etwas über sich, dem sie Gehorsam schulde. Doch Mathilda war sicher, dass ganz besonders sie gemeint gewesen war – und Katharina. Blind sollten sie gehorchen, hatte die Äbtissin gesagt. Ohne nachzufragen, ohne zu überlegen und vor allem

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