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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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verboten“, flüsterte Mathilda mit zitternden Lippen. Jetzt regte sich die Wut in ihr, weil Katharina ihr so einen Schrecken eingejagt hatte. Doch gleichzeitig fühlte sie Freude. Dies war endlich eine Möglichkeit, ungestört miteinander sprechen zu können. Gleichzeitig jedoch hatte sie Angst, erwischt und angeklagt zu werden, sich im Strafkapitel auf den Boden werfen zu müssen oder Schlimmeres. „Ich bin mir sicher, dass dies hier nicht nur einen Verstoß gegen das Silentium darstellt.“
    „Ist doch egal“, schüttelte Katharina den zu Mathildas Erstaunen nicht mehr beschleierten Kopf. Stattdessen trug sie eine kleine graue Haube, wie auch Mathilda sie in ihrer Kommode liegen hatte.
    Doch noch ehe Mathilda ihrem Erstaunen darüber in irgendeiner Form Ausdruck geben konnte, hatte sich Katharina bereits aufschluchzend in ihre Arme gestürzt.
    „Ich musste kommen, tut mir leid, aber ich brauche jemanden, mit dem ich sprechen kann.“
    Spontanes Mitleid überrollte Mathilda und überdeckte alle anderen Gefühle. Katharina war unglücklich, in Not. Gestern erst war sie selbst es gewesen, die in Not geraten war, in der Rekreation. Katharina war ihr sofort zu Hilfe geeilt. Wie Freundinnen das machten. Jetzt war es also an ihr, für Katharina da zu sein, ganz egal, warum. Wichtig war, dass sie sie brauchte. Und da durfte es doch auch keine Rolle spielen, ob sie beide erwischt und bestraft werden könnten. Mathilda drückte Katharina fest an sich.
    Die löste sich nach einem Moment wieder von ihr und wischte mit der Hand über ihr tränenfeuchtes Gesicht. „Tut mir leid“, flüsterte sie. „Aber ich hatte das Gefühl, es nicht mehr auszuhalten.“
    Mathilda nickte, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wovon Katharina sprach. „Meinst du das Kapitel gestern?“
    Katharina stutzte einen Moment, schüttelte dann aber vehement den Kopf. „Nein, das ist mir völlig egal.“
    „Aber warum weinst du dann?“, fragte Mathilda ratlos. Was war denn noch gewesen?
    „Es ist wegen Elisabeth“, seufzte Katharina. „Sie meidet mich.“
    „Weil du sie gerufen hast, nicht wahr?“, fragte Mathilda. „Hat sie es dir sehr übelgenommen und ist jetzt böse mit dir?“
    „Ach was“, rief Katharina und schüttelte den Kopf.
    „Pst“, zischte Mathilda entsetzt. Katharina war viel zu laut. Sicher konnte man ihre Stimme im Korridor draußen hören. „Sprich leise.“
    „Elisabeth will – mich nicht mehr sehen“, fuhr Katharina fort, zum Glück wirklich leiser. „Sie hat gesagt, dass wir uns an die Regeln halten müssen.“
    Mathilda verstand immer noch nichts. „Aber ihr seht euch doch jeden Tag“, sagte sie schwach.
    „Nachts“, klärte Katharina sie endlich auf. „Sie hat ihre Zelle verriegelt und macht nicht auf, wenn ich anklopfe.“
    Mathildas Kopf fuhr hoch. So war das? „Bist du oft bei ihr – nachts?“
    „Nicht immer“, schüttelte Katharina den Kopf. „Sie will es nicht, weil sie sich lieber an die Regeln halten will. Aber wenn es mir schlecht geht und ich sie bitte, dann weist sie mich nicht ab. Nur jetzt“, setzte sie kläglich hinzu, „seit gestern ... Sie hat nur mit dem Kopf geschüttelt und sich abgewandt, als ich sie angefleht habe.“ Wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht.
    „Du hast sie angefleht?“, fragte Mathilda und verstand gar nichts mehr.
    Katharina hustete. „Ich halte das alles hier aber sonst nicht aus.“ Und damit wies sie mit der Hand weit um sich.
    „Ach so“, nickte Mathilda. Auch Katharina hatte Probleme mit den Regeln. Aber wenn sie abends bei ihrer Freundin sein konnte ... „Warum dürfen wir uns eigentlich nicht gegenseitig besuchen?“
    „Weil wir beten sollen“, antwortete Katharina bitter. „Wir sollen nichts anderes tun als immer nur beten und arbeiten.“
    „Das schaffe ich auch nicht“, nickte Mathilda teilnahmsvoll. „Aber ich dachte, man kann es lernen mit der Zeit.“
    „Sicher“, sagte Katharina und setzte sich auf Mathildas Bett. „Manche Nonnen hier sind perfekt darin und wollen gar nichts anderes. Ich dagegen schon. Ich will etwas anderes.“
    Mit einem tiefen Seufzer sank Mathilda neben sie. „Meinst du nicht, es wäre besser, es zu wollen?“, fragte sie mutlos.
    „Es würde das Leben leichter machen“, antwortete Katharina. „Aber wenn man nichts anderes mehr will als das, was man soll – dann wäre das kein Leben mehr.“
    „Auch wenn das wunderbar einfach wäre, nicht?“ Mathilda seufzte schon wieder, konnte sich aber ganz und

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