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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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auszumalen, wie es früher oder später sie treffen würde. Da bedurfte es gewiss nicht auch noch des Teufels! Wie er sie einschätzte, hatte diese Erfahrung allein sie bewogen, sich noch mehr um Anpassung an das Klosterleben zu bemühen. Und würde schließlich in ihr erstes Versagen münden. Arno seufzte.   
    Nein, kein Zweifel, sie blickte eindeutig ernster drein heute. Keine Spur mehr des gestrigen Überschwangs.
    Er sah den armen Georg der Ankommenden einen verdächtig kurzen Blick zuwerfen. Hartwig wiederum zuckte auch diesmal nicht mit der Wimper. War der wirklich immun gegen den Reiz der Weiblichkeit? Sich selber maßregelnd, erstickte Arno die in ihm erwachte Missgunst im Keim. Der Junge war ein guter Mönch, und das gönnte Arno ihm selbstverständlich von Herzen.
    „Ave Maria.“ Jetzt lächelte Mathilda wieder – in Richtung der beiden jungen Männer.
    Doch dann wandte sie sich Arno zu – und erstrahlte. Im selben Moment wurde ihm stirnrunzelnd bewusst, dass seine Augen das ohne sein Zutun erwiderten. War das normal? Lächelte er seine Schüler immer an?
    „Ich habe das lateinische Original Eures Buches herausgesucht und auf Euren Arbeitstisch gelegt“, intonierte er so neutral es ging. „Ich komme gleich zu Euch – auch wenn Euer wirklich beeindruckendes Wörterbuch mich als Lehrer wahrlich überflüssig macht, wie ich fürchte.“
    „Mein ...?“ Sie zögerte kurz, war dann aber sofort bei ihrem Tisch, das in abgegriffenes schwarzes Leder gebundene Buch in der Hand – und schon war sie wieder von einem Hauch ihrer Lebendigkeit umgeben.
    „Ihr habt ein eigenes Wörterbuch – besessen?“ Das hatte nun Hartwig angelockt.
    „Es ist ja nicht mehr meines.“ Sie warf Arno einen unsicheren Seitenblick zu.
    „Nun ja, Ihr benötigt ein Exemplar – und ich sehe nicht, was dagegen sprechen sollte, dass Ihr dieses benutzt. Solange Ihr lateinische Texte lest.“
    Ein neuerliches Strahlen in seine Richtung. Offensichtlich hatte er geschafft, sie von ihren bedrückenden Erfahrungen abzulenken. Er schickte ihr ein nachdrückliches, nun aber wirklich abschließendes Nicken und wollte sich seinen anderen Schülern zuwenden – ein vergebliches Unterfangen.
    „Eine so dicke Abschrift?“ Hartwig beugte sich voller Eifer über das Buch, das Mathilda ihm darbot.
    „Nein, ein richtig gedrucktes.“ In ihrer Stimme schwang dieselbe Begeisterung. „Die zweite Druckauflage, nur Lateinisch-Deutsch, aber fast tausend Seiten. Seht, wie dünn sie sind.“
    „Ihr Glückliche!“
    Amüsiert beobachtete Arno, wie er dabei das Buch ansah, nicht das Mädchen. War er so unbedarft oder tat er nur so?
    Da war Georg männlicher. „Woher hast du es?“, trat er herzu.
    Oh ja, sehr männlich – dass er die vertrauliche Anrede gebrauchte!
    Mathilda schenkte ihm ein Extralächeln. „Mein Vater hat es mir geschenkt.“
    Arno hatte die Lippen gekräuselt. „Bruder Georg, ich möchte Euch darauf hinweisen“, hörte er sich sagen und unterlegte seine Stimme gerade noch rechtzeitig mit Ironie, „dass unser konventübergreifender Unterricht es notwendig macht, ganz besonders auf die korrekten Umgangsformen zu achten.“
    Schon wieder sah er den Jungen rot werden. Du liebe Güte, musste er seinen Zustand dermaßen zur Schau tragen?
    „Das gilt auch für Euch, Schwester Mathilda. Setzt Euch!“
    Nun folgte sie, auf der Stelle herumwirbelnd, sodass ihr Zopf nachschwang. Ihn überkam die Vorstellung, wie man ihn ihr ohne Erbarmen abschneiden würde, um den Rest ihres Blondschopfs unter einem Schleier zu verstecken. Wie ein Sinnbild dessen, was es für sie bedeuten würde, Nonne zu werden. Was nicht seine Sache war, natürlich nicht. Letztendlich war es ihre Entscheidung.
    Ist es das? Hat sie wirklich eine Wahl?  
    Sie hatte einen Mann geliebt. Und wenn der sie auch gewollt hatte ...
    Wenn er das getan hätte, wäre sie nicht hier! Arno hatte bisher nicht darüber nachgedacht, doch jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihr nie unterstellen würde, wie Aurelia ihre Liebe verraten und sich dem Willen ihres Vaters gebeugt zu haben. Mathilda war anders als sie. Wenn es in ihrer Macht gestanden hätte, diesen Mann zu heiraten, dann wäre sie nicht hier.  
    Das passte doch auch zu dem mehr als seltsamen Umstand – und auch der war ihm bisher nur am Rande aufgefallen – dass ihr Verehrer ihr zum Abschied ein geistliches Buch geschenkt hatte. Er schien sie ja geradezu ins Kloster abgeschoben zu haben. Und das, obwohl es auf dieser Welt

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