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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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war die Äbtissin, die ihre missbilligenden Augen auf sie gerichtet hatte. Neben ihr stand die Schönin – mit einem leisen, gemeinen Lächeln im Gesicht.
    „Hatte ich dir nicht vorgestern erst gesagt, dass du im Dauersilentium bist?“
    „Ja“, sagte Mathilda und senkte ruckartig den Kopf, der sich sofort anfühlte, als wäre er feuerrot. Das hatte sie ganz vergessen. „Tut mir leid.“
    Siedend heiß kam ihr das Kapitel vom Vortag in den Sinn. War es jetzt so weit? Mit ihr? Würde sie sich jetzt vor aller Augen auf den Boden werfen müssen, um dann eine Strafe zu bekommen? Sie begann zu zittern, hoffte nur, dass es innerlich bleiben und man es von außen nicht sehen würde.
    „Ich bin schuld.“
    Überrascht hörte Mathilda eine forsche Stimme neben sich. Sie hob die Augen, mit denen sie verzweifelt und vergeblich auf dem Fußoden nach einer Lösung ihrer Misere gesucht hatte. Katharina hatte sich aufgestellt und sah der Äbtissin geradewegs und ohne jegliche Spur von Angst ins Gesicht.
    „Ich habe Mathilda Fragen gestellt. Ihr habt doch gesagt, dass sie die Fragen einer Chorfrau beantworten müsse.“
    Und damit setzte sie sich wieder, nahm ihr Nähzeug auf und tat so, als wäre sie ganz auf ihre Arbeit konzentriert.
    Die Äbtissin schwieg einen Moment, dann sagte sie mit deutlich verärgerter Stimme: „Das ist richtig. Doch Ihr, Greulichin, steht zurzeit ebenfalls unter Bestrafung. Den Rang einer Chorfrau werdet Ihr erst wieder einnehmen, wenn Eure Strafe abgebüßt ist.“
     
    Sie richtete ihre Augen wieder auf Mathilda: „Mathilda Finkenschlagin, komm hierher, neben mich.“ Sie wies mit der Hand auf eine kleine Kniebank an der Wand. „Du sprichst doch so gerne. Hier kannst du während der restlichen Rekreationszeit den Rosenkranz beten.“
    Mathilda hörte Katharina neben sich seufzen.
    „Ich danke dir trotzdem“, hauchte sie, stand auf und ging nach vorn, zur Äbtissin.
    Sie seufzte ebenfalls, als sie sich auf das harte Brett kniete, ihren Rosenkranz um die Hand wickelte und mit leiser Stimme begann: „Credo in deum patrem omnipotentem ...“
     
    Über einen Rosenkranz lang hatte diese Rekreation noch gedauert. Mathilda war es wie eine Ewigkeit vorgekommen, in der die anderen geredet und gelacht hatten – während sie hatte beten müssen, immer mit Blick auf ihren Rosenkranz.
    Dann endlich hatte die Äbtissin mit einem Händeklatschen die Rekreation beendet. Ehe jedoch die nächste Hore begann, mahnte sie Mathilda: „Ich halte es für angebracht, wenn du in der nächsten Zeit die Erholungszeit hier verbringst.“ Damit deutete sie auf die Kniebank, die Mathilda noch immer nicht verlassen hatte. „Hier kannst du dich ungestört dem Gebet hingeben.“
    Mathilda hatte schon Luft zum Widerspruch geholt, besann sich jedoch gerade noch rechtzeitig, nickte demütig und schwieg, wie man es ihr aufgetragen hatte.
    Zur Sext zogen die Nonnen schweigend nach oben, in den Frauenchor, wo sie sich, gestärkt von einer Mahlzeit und der Ruhepause, auf die Knie begaben. Mathilda, deren Knie noch von eben dieser Ruhepause schmerzten, spürte ihre Beine nicht mehr, als sie nach zwei Stunden, in denen sie fast andauernd gekniet hatte, endlich wieder aufstehen durfte. Wankend suchte sie an einem Chorstuhl Halt und stöhnte leise, als das Blut in ihren eiskalten Füßen wieder zu zirkulieren begann.
    Das war erst einmal ausgestanden, zumindest für heute. Aber jetzt kam – tja, Schwester Schönrat stand schon im Eingang zum Frauenchor und sah ihr entgegen. Sich mit jeder Faser ihres Körpers von hier weg und in die Bibliothek sehnend, ging Mathilda mit wackligen Knien auf ihre Mentorin zu.
    „Du gehsst jetzt zu deinem Unterricht“, wurde sie von der harten Stimme der Nonne überrascht. „Wir treffen unss morgen nach der Messe, bevor du wieder bei der Obssternte mithilfsst.“
    Ihr Glück zwar noch nicht fassen könnend, es aber keinesfalls über Gebühr strapazieren wollend, rannte Mathilda den Flur entlang. Sie würde alleine hinunter zum Ausgang finden. Diesmal war sie sicher!

Ermahnungen, die nützlich sein können ...
     
     
    Mathildas Schritte die Treppe herauf waren heute tatsächlich langsamer. Arno sah auf in Erwartung ihres Gesichts.
    Er war nicht im Mindesten verwundert gewesen, als die Örtlerin ihn heute Morgen vorgewarnt hatte. Es lag auf der Hand, dass es einem impulsiven Mädchen wie Mathilda ganz besonders zusetzen musste, ein ausgewachsenes Strafkapitel mit anzusehen – und sich

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