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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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ohne zu murren.
    Mathilda grübelte eine Weile darüber nach. Sicher, sie hatte auch Vater gehorchen müssen. Doch der hatte ihr stets zugestanden, sich zu seinem Befehl zu äußern – und zuweilen hatte sie ihn umstimmen können. Er hatte sich immer bemüht, gerecht zu sein. Wenn sie ihm hätte nachweisen können, dass das, was ihr befohlen worden war, Unrecht bedeutet hätte – sie hätte es nicht tun müssen.
    Doch genau das wurde jetzt von ihr gefordert. Blind zu gehorchen und Dinge tun – und vielmehr noch, zu lassen – die ihr wie großes Unrecht vorkamen. Es war ihr verboten worden, selbst zu entscheiden, selbst zu denken. Sie musste ihren Kopf ausschalten – die Augen zumachen – und sich unterordnen. Sich aufgeben, das war es doch. Selbstaufgabe als höchstes Gut. Aber wie konnte sie das?
    Mit einem gebeutelten Aufseufzen fuhr sie sich durch die Haare, holte den Zopf nach vorn, löste das Band und begann damit, die einzelnen Strähnen auseinanderzuziehen.
    Selbst ihr letzter Lehrer, der ehrenwerte Magister Reuchel, hatte sie ermahnt, nicht nur einfach hinzunehmen, was sie gelehrt wurde.
    „Ihr müsst den Kopf einschalten und selbst denken“, war einer seiner Lieblingssätze gewesen.
    Ihr Lehrer hier, Pater Arno, war da ganz ähnlich. Nur, wie passte das zu den Klosterregeln? Hier im Frauenkonvent wurde Unterwürfigkeit gefordert, dort drüben, in der Studierstube, aber etwas ganz anderes gelehrt.
    So, ihre Haare waren offen. Mathilda schüttelte sie leicht, dann holte sie ihren Kamm, setzte sich aufs Bett und begann damit, die Strähnen zu bearbeiten. Wenn sie wenigstens einen Spiegel hätte!
    Wie bekamen die Nonnen hier eigentlich jeden Tag ihre Schleier wieder auf den Kopf, ohne dass die völlig schief saßen? Ob sie sich gegenseitig halfen? Eine der anderen. Anders ging es ja wohl nicht.
    Plötzlich hatte sie Sehnsucht. Nach Zuhause, nach ihrem Vater, nach Magister Reuchel. Ärgerlich wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Weg mit diesen Gedanken. Sie war hier – und musste sehen, wie sie damit klarkommen konnte.
    Einen Trost hatte sie zumindest. Auch wenn ihr Vater und Magister Reuchel gelächelt hatten, wenn sie danach gefragt hatte, Vater Sigismund hatte es immer wieder betont: Wo das Gute war, war das Böse bekanntlich nicht fern. Vom Teufel hatte er erzählt, von Versuchungen und Verführung. Und er hatte betont, dass sie im Kloster all diesen teuflischen Anfechtungen nicht mehr ausgesetzt wäre.
    „Ein Leben in Armut, Keuschheit und Demut ist der größte und beste Schutz gegen den Teufel“, hatte er immer betont. „Kind, du kannst dich auf deinem weiteren Weg glücklich schätzen. Dir ist ein anfechtungsfreies Leben beschert. Weder Fegefeuer noch Hölle können dir als Nonne etwas anhaben.“
    Sie legte den Kamm wieder weg, hob die Arme und begann, auf ihrem Hinterkopf die Haare in drei dicke Strähnen zu teilen und zu flechten. Die Beschäftigung mit ihren Haaren, die Besinnung auf etwas, was rein gar nichts mit ihren Problemen zu tun hatte, hatte sie ruhiger werden lassen. Jetzt sah sie ihrem Leben wieder gelassener entgegen.
    Hier war es doch wirklich nicht so schlimm. Sicher, es gab Regeln, die schwer einzuhalten waren. Für sie. Aber es gab auch Katharina und Edeltraud und den netten Georg, die sie jeden Tag sehen konnte. Zumindest das war doch tröstlich.  
    Und außerdem gab es Pater Arno. Der mindestens so klug und gebildet war wie Magister Reuchel. Ihn konnte sie ja auch einmal nach seiner Meinung über den Teufel befragen.
    Nicht, dass sie selbst diesbezüglich in Sorge wäre. Aber konnte man es wissen? Immerhin gab es doch einen Himmel. Und das müsste, streng genommen, der Beweis dafür sein, dass es auch eine Hölle gab.
    Mathilda nahm das zartrosa Band in die Hand und schlang es fest um das Zopfende. Fertig. Sie betastete das Ergebnis und nickte zufrieden. Ja, das war gut so.
    Und jetzt weg mit allen schlechten Gedanken. Wenn es einen Teufel gab, was sie sehr bezweifelte, dann sicher nicht hier. Ihre Aussichten waren also gut. Sie musste sich nur an das Klosterleben gewöhnen, daran, dass hier im Frauenkonvent etwas ganz anderes wichtig war als drüben in der Bibliothek. Den Kamm weglegend, sah sie sich noch einmal in ihrer Zelle um. Vielleicht sollte sie sich erst einmal um ihre Pflichten kümmern, ehe sie ihren Gedanken nachhing. Was hatte Pater Arno ihr aufgetragen? Ihren Gefühlen für Sebastian nachzuspüren – und diese anschließend auf eine Liebe zu

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