Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und führe uns nicht in Versuchung

Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Und führe uns nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Gesichtshaut war attrak tiv, und Tanja mußte sich eingestehen, daß dieser Mann eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf sie ausübte. Sie wußte, daß diese Attraktion ihren klaren Blick trüben konnte. Jacobi brachte sie allein durch seine Anwesenheit durcheinander, von seinem Blick ganz zu schweigen. Schon bei Christian Vogel hatte sie unsouverän und damit unprofessionell reagiert. Dies durfte ihr nicht noch einmal passieren. Sie atmete tief und bewußt durch, konzentrierte sich auf ihre Fragen und gab diesmal Arne das Signal, daß er beginnen sollte.
    «Herr Jacobi, Sie waren mit Steffen Vogel befreundet. Können Sie uns erzählen, seit wann Sie ihn kennen?» Jacobi antwortete sofort: «Wir sind uns in der Studentenverbindung begegnet. Er war gerade Fuchs, ich schon alter Herr. Steffen fiel mir sofort auf. Er hatte etwas Analytisches, Kühles, eine Überlegtheit, die weit über das hinausging, was man von einem jungen Studenten seines Alters erwarten konnte. Ich habe ihn auch nie ganz betrunken erlebt, das paßte einfach nicht zu ihm, so die Kontrolle zu verlieren. Wenn die anderen tranken, dann hielt er mit, aber ich konnte genau erkennen, daß er den ganzen Abend kaum mehr als zwei Bier trank. Dabei ist das gar nicht einfach. Denn es gibt die berühmten Ex-Kommandos, bei denen alle ihre Seidel austrinken und dann umdrehen müssen. Steffen hatte einen Saugbalg konstruiert, mit dem er das Bier absaugte, bevor er auf Ex trinken mußte. Den Balg verbarg er unter seinem Sakko. Er handhabte das sehr geschickt. Den anderen fiel nach einem gewissen Pegel allerdings sowieso nichts mehr auf. Mich hat auch nicht gewundert, daß Steffen bald eine Führungsposition in der Verbindung eingenommen hat, und das, obwohl er eigentlich keinen richtigen Freund unter den anderen hatte. Er war allerdings immer zuverlässig und erfüllte peinlich genau alle Kriterien, die man von einem Chargierten erwartete. Für eine Freundschaft zu den anderen fehlte aber einfach etwas. Die Wärme vielleicht.» Jacobi schwieg. Arne dachte über das nach, was Jacobi gerade erzählt hatte. «Aber Sie haben ihn gemocht», stellte er fest. «Mehr als das», sagte Jacobi kühl.
    «Wir waren aus demselben Holz geschnitzt. Seelenverwandt, so nannte man das früher. Wenn das nicht so nach lila Papier und Schmalz klingen würde, träfe es genau unsere Beziehung. Ich verstand ihn, und er verstand mich, intuitiv. Das haben wir sofort erkannt, schon an diesem Abend im Verbindungshaus, als er, der Fuchs, mir, dem alten Herrn, das Bier brachte. Ein Blick und die Sache war klar. Ich sah die überlegene Intelligenz in seinen Augen, die Höflichkeit, die eine Distanz zwischen ihm und seiner Umgebung schuf. Ich bemerkte seine die Umgebung sozusagen sezierende Beobachtungsgabe. Und ich erkannte daran, wie er überrascht seine Augenbrauen hochzog, daß auch er in mir seine Zwillingsseele entdeckt hatte.» Jacobi schwieg.
    «Wie ging es weiter?» fragte Tanja. «Wir haben natürlich zusammengearbeitet. Alles andere wäre verschwendete Energie, ja eine Versündigung am Geschenk unserer Begegnung gewesen. Schon am nächsten Tag habe ich ihn zu einem Gespräch gebeten. Er hat die Möglichkeiten unserer Kooperation sofort begriffen. Steffen konzentrierte sich in seinem Studium fortan auf die Bereiche, die für unsere Firma wichtig waren – das war im übrigen kein Problem, da er selbstverständlich ein ausgezeichneter Student war.» Arne fragte nach: «Was war das für eine Firma?» Jacobi schaute Arne an. «Was verstehen Sie von unserem Metier?» Arne hob bedauernd die Hände. «Nicht viel, zugegebenermaßen. Versuchen Sie einfach, es mir zu erklären.»
    Jacobi nickte zustimmend. «Wir haben maßgeschneiderte Firmen gebaut. Vor allem im Nahen Osten. Wir bekamen den Auftrag für ein bestimmtes Produkt und haben uns dann um alles gekümmert: vom Bau angefangen, dem Maschinenpark, Entwicklungstechnik, bis hin zur Wartung. Das war teuer für unsere Auftraggeber, sehr teuer, aber dafür funktionierte das, was wir aufgebaut hatten, reibungslos. Wir haben einheimische Kräfte einbezogen, aus verschiedenen Gründen ist das sinnvoll, aber wir haben immer die Bedingung gestellt, daß allein wir über deren Zulassung entscheiden konnten, kein Familienclan und keine politische Clique. Wir haben Aufträge nur angenommen, wenn sie hundertprozentig zu unseren Bedingungen liefen. Nur so konnte es laufen, und weil es lief, konnten wir uns die Aufträge aussuchen.» Jacobi lehnte sich

Weitere Kostenlose Bücher