Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
schüttele den Kopf. «Er hat sein Handy hiergelassen, damit sie ihn nicht orten können. Keine Ahnung, ob er private Mails abruft. Ich wäre da aber auch vorsichtig, weil ich vermute, dass sein Mail-Account von der Polizei überwacht wird.»
«Und wie sollen wir ihn dann finden?»
Ich muss lachen. «Das fragt sich nicht nur die Polizei, sondern ganz nebenbei auch die Mutter deines künftigen Enkelkindes.»
Sie merkt auf. Ich nicke bestätigend.
«Jonas hat seine Assistentin geschwängert», erkläre ich und wundere mich selbst darüber, wie salopp ich Mutter diese Nachricht serviere.
Sie schlägt in die gleiche Kerbe. «Das hättest du mir jetzt auch etwas schonender beibringen können», sagt sie. «Schließlich ist das die erste gute Nachricht in diesem ganzen Schlamassel.»
«Freut mich, dass du das so siehst.»
«Klar! Ich habe mir schon immer Enkel gewünscht», erklärt sie. «Und Jonas kann ganz beruhigt sein. Wir werden uns um das Kind kümmern.»
«Jonas weiß noch nicht, dass er Vater wird», erwidere ich. «Im Gegenzug weiß die werdende Mutter nicht, dass er sich abgesetzt hat. Und sie glaubt, dass Jonas ein verheirateter Mann ist. Ich vermute, das hat er erfunden, damit Hanna sich keine Hoffnungen auf eine Beziehung macht.»
Mutter schüttelt verständnislos den Kopf. «Am liebsten würde ich ihm mal ordentlich den Hintern versohlen.» Sie sagt es ohne einen Funken Ironie.
«Mutter, ich befürchte, das wird nicht reichen, um die Unterschlagung von drei Milliarden Euro zu sühnen.»
«Wie dem auch sei», sagt sie. «Das alles müssen wir dieser Frau erklären.» Mutter stutzt. «Wie heißt sie noch mal? Ist sie nett?»
Ich zucke mit den Schultern. «Keine Ahnung. Sie heißt Hanna und macht einen ganz sympathischen Eindruck. Aber ich habe auch erst einmal und nur kurz mit ihr gesprochen.»
«Hanna. Klingt doch hübsch.» Mutters Blick wandert über den Schreibtisch, wo die aufgeschlagenen Alben liegen. Jeder Schnappschuss erzählt ihr eine Geschichte. Und all diese Geschichten bilden das Mosaik ihres Lebens. «Schade», sagt sie mit einem bedauernden Seufzen. «Er hätte wenigstens noch Weihnachten mit uns feiern können.»
Es ist das richtige Stichwort, denn schlagartig fällt mir nun ein, dass ich noch keine Gelegenheit hatte, ihr Jonas’ Weihnachtsgeschenk zu überreichen. Ich hebe den Zeigefinger, um ihr zu bedeuten, einen kurzen Moment zu warten, und springe auf, um das Geschenk zu holen.
«Ist das von dir?», fragt sie wenig später und legt das winzige, in glitzerndes Papier verpackte Kästchen auf den Schreibtisch.
«Von Jonas. Für dich zu Weihnachten», erwidere ich.
«Wolltest du mir etwa nichts schenken?», fragt sie mit gespielter Strenge.
«Doch. Mein Geschenk wäre gewesen, dass ich Heiligabend mit dir verbringe und kein weltweit gesuchter Betrüger bin.»
Sie nickt amüsiert. Dann zupft sie vorsichtig an der silbernen Schleife von Jonas’ Geschenk. Eine kleine Pappschachtel kommt zutage.
«Was soll das? Er wird mir doch wohl keinen Ring schenken?»
Sie lugt in die Schachtel und zieht dann ein gefaltetes Stück Papier hervor.
Verblüfft öffnet sie das Papier. Es ist beschrieben. Mutter liest, dann entspannen sich ihre Gesichtszüge. Sie reicht mir den Zettel.
Ich lese: Café Caribe, Havanna, Avenida del Puerto, 15 Uhr .
«Er hat also nicht nur gewusst, dass sein System zusammenbrechen würde, er hat sogar für diesen Fall vorgesorgt», kombiniere ich.
Sie nickt. «Und man kann ihn täglich um 15 Uhr in diesem Café treffen. Es gibt also nur einen Weg, um mit ihm zu reden.»
«Du willst nach Havanna fliegen?»
Sie nickt. «Zufälligerweise habe ich noch nicht ausgepackt. Hätte ich das früher gewusst, wäre mir eine Atlantiküberquerung erspart geblieben, aber so kann ich Jonas wenigstens gleich mal seine Verlobte mitbringen.»
«Mutter, die beiden hatten lediglich eine Affäre», korrigiere ich.
«Kannst du diese Hanna irgendwie erreichen?», will Mutter wissen, ohne meinen Einwand überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Eben noch war sie ein Häufchen Elend, nun lässt sie die Aussicht darauf, aktiv werden zu können, im Handumdrehen zur alten Form zurückfinden. Es ist diese brisante Mischung aus Ignoranz, Willensstärke und überbordender Energie, von der sie durchs Leben getragen wird.
«Sie hat mir ihre Telefonnummer gegeben.»
«Sehr gut. Dann sag ihr doch bitte, dass wir morgen nach Kuba fliegen», ordnet Mutter an und fügt mit frischem Elan hinzu:
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