Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
solltest dich eine Weile hinlegen», schlage ich vor. «Geht es dir gut, oder soll ich einen Arzt rufen?»
Er schüttelt den Kopf. «Alles bestens. Ich bin nur müde.»
«Okay. Wenn du dich ausgeruht hast, beginnen wir mit der Arbeit», fahre ich fort.
Er zieht mich zu sich, umarmt mich und klopft mir ein paarmal sachte auf die Schulter. «Ich freu mich drauf. Viel Glück, Jakob.»
Die ungewöhnliche Geste schmeckt nach einem längeren Abschied. Aber ich denke nicht weiter darüber nach.
Als ich den Bauwagen verlasse, schlägt mir klare und kalte Luft entgegen. Eisen-Heinz macht seinem Namen alle Ehre. Nur mit einer dünnen Hose und einem leichten Pulli bekleidet, hockt er neben seinem Bauwagen und stopft Schnee in eine große Teekanne.
«Hallo, Doc», ruft er. «Schöne Feiertage gehabt?»
«Danke», sage ich und will schon weiter in Richtung Straße stapfen, als ich plötzlich verdutzt innehalte und den Kraftakrobaten unverwandt anglotze.
Der bemerkt es, richtet sich nun mitsamt Teekanne auf und schaut amüsiert an sich herab. «Was ist los? Hab ich irgendwo ’n Loch in der Hose? Oder wächst mir ’n Blumenstrauß ausm Hintern?»
Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, dass irgendetwas an Eisen-Heinz mich gerade an mein Weihnachtserlebnis in der Parallelwelt erinnert.
«Haben Sie eigentlich Kinder?», frage ich.
«Ja. Einen Sohn», antwortet Heinz und lacht. «Der geht aber schon auf die vierzig zu und glaubt schon lange nicht mehr an den Weihnachtsmann.»
«Hat der vielleicht was mit Gastronomie zu tun?»
Eisen-Heinz legt den Kopf schief. «Sie stellen immer so komische Fragen, wenn Sie hier auftauchen. Warum interessieren Sie sich plötzlich für meinen Sohn?»
Die ehrliche Antwort wäre: Weil ich in einer Welt, in der ich nicht existiere, einen Menschen gesehen habe, der Eisen-Heinz wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Darum kam Marco mir so bekannt vor. Aufgrund der Tätowierungen und des Irokesenschnittes sieht man allerdings erst auf den zweiten Blick, dass der smarte Spitzenkoch Marco und der kernige Kraftakrobat Heinz miteinander verwandt sein müssten.
«Ganz einfach. Ich würde mich gerne mal von ihm bekochen lassen», versuche ich mein Glück.
Heinz sieht mich ausdruckslos an. Er scheint zu überlegen. Plötzlich entspannt sich seine Haltung. «Abel hat Ihnen von Marco erzählt. Und jetzt wollen Sie mich aufs Glatteis führen, so wie Abel das auch gern macht.»
Ich nicke und lächle erleichtert. Zugleich verberge ich mein Erschrecken darüber, dass Heinz’ Sohn tatsächlich Marco heißt. Ich habe Marco in einer anderen Welt gesehen. Dass er nun auch in der Realität existiert, finde ich irgendwie gespenstisch. Ich blicke zu Abels Bauwagen, wo alles ruhig ist. Was auch immer unsere Weihnachtsreise zu bedeuten hat, offenbar war sie mehr als ein Traum.
«Er kocht im Turm zu Babel», sagt Heinz. «Ist so ein Szeneschuppen. Es soll da die besten Burger der Stadt geben. Eigentlich hat Marco mehr drauf als Buletten wenden. Aber man muss ja von irgendwas leben.»
Im Taxi frage ich mich, ob Ellen und Marco auch in der wirklichen Welt ein glückliches Paar sein könnten. Sind sie es in der anderen Welt nur deshalb, weil das Schicksal sie dort zu anderen Menschen gemacht hat? Oder würde es auch in der Realität zwischen den beiden funken? Sind sie sich aufgrund der Umstände hier vielleicht nur noch nicht über den Weg gelaufen?
Kurz entschlossen greife ich zum Handy. «Hallo, Ellen. Jakob hier. Ich mache dir ein Friedensangebot. Ich glaube zwar nicht, dass aus uns in diesem Leben noch mal ein Paar wird, aber deswegen müssen wir uns ja nicht gleich hassen. Also lass uns das Kriegsbeil begraben. Ich lade dich zum Essen ein. Heute Abend. Und sag mir nicht, dass du einen Termin hast. Da geht es doch sowieso wieder nur um dein Geld. Das kannst du also auch morgen erledigen. Wir treffen uns um acht im Turm zu Babel. Netter Laden, wird dir gefallen. Schick mir ’ne SMS oder sei einfach da. Bis später. Ich freu mich.»
Ich finde Mutter in Vaters Arbeitszimmer. Sie sitzt an seinem Schreibtisch, hat ein halbes Dutzend Fotoalben vor sich ausgebreitet und schwelgt in Erinnerungen. Es muss eine Ewigkeit her sein, dass sie diesen Raum benutzt hat. Nach Vaters Tod ist vermutlich selbst die Putzfrau öfter hier gewesen als Mutter.
Sie verharrt einen Moment, als sie mich bemerkt. Dann nimmt sie langsam ihre Brille ab und zieht einen Stuhl zu sich heran. «Könntest du dich vielleicht kurz zu mir
Weitere Kostenlose Bücher