... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)
Neuerwerbung. Bereit, mitzutun?“
„Echt? Ich meine, darf ich?“
„Handschuhe und Mäntel sind dort drüben. Ich habe zwei Regeln: Erstens, beachte immer, immer die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen.“
Ich begann mich fertigzumachen. „Mr. Kelly, Mr. Kelly“, rief ich, als ich zu seinem Büro stapfte.
„Ja?“
„Sir, Sie haben vergessen, mir die zweite Regel zu sagen.“
„Die zweite Regel heißt: Beachte immer die allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen. Und lerne, lerne. Immer.“
Der diensthabende Arzt begann Befehle auszugeben und verwendete bald eine Knochensäge, um den Schädel zu öffnen, damit er das Gehirn entnehmen konnte. Ich dachte mir: Hier geht die Post ab.
An einem meiner ersten Tage half mir eine der älteren Gehilfen, eine recht alte, kleine Schwedin. Sie zeigte mir, wie ich das Gehirn vom Schädelknochen trennen musste und erklärte mir mit starkem schwedischem Akzent: „Sehr guut, Gweeephry! Guuut. Und jetzt musst du das Hirn auf die Waage legen.“ In diesem Augenblick schlüpfte mir das Gehirn aus der Hand und fiel fast auf den Boden. „Gweeephry! Gweeephry! Du darfst das Hirn nicht auf den Boden fallen lassen, niemals.“ Das zählt zu dem Eigenartigsten, das man mir je sagte, und aus dem Mund dieser winzigen Großmutterfigur war es echt surreal.
Noch nach einem Jahr kam ich aus dem Staunen über meine neue Arbeitsumgebung nicht heraus. Je mehr ich mit wissenschaftlichen Projekten zu tun hatte, desto klarer erkannte ich ihre Bedeutung. Gutes naturwissenschaftliches Arbeiten erfordert eine Reihe von unterschiedlichsten Fähigkeiten, deren Summe erst erfolgreiche Experimente möglich macht. Die Personen, Geräte, Proben, der Experimentaufbau und unterstützende Aufgaben, alles muss zusammenpassen, damit ein großes Experiment beginnen kann. Unzählige Male war das natürlich nicht der Fall, weil irgendeine Kleinigkeit fehlte oder nicht verfügbar war. Wir waren ständig auf Achse, um einmal zu kopieren, dann wieder eine Zeitschrift zu finden, Testanschlüsse zu suchen, zurück zum Labor zu laufen. Es herrschte eine Lebendigkeit und Betriebsamkeit, die süchtig machen konnte, wenn man mithielt.
Da die meisten Labors fensterlos waren – damit niemand die unweigerlichen Explosionen bemerkte, wie wir scherzten –, verloren wir oft jedes Zeitgefühl, besonders ich. Wenn ich Knochen untersuchte und in einem schallisolierten Labor arbeitete, war es oft ein oder zwei Uhr in der Früh, wenn ich wegging. Manchmal liefen auch Experimente, die jeweils vierstündige Messungen erforderten. Dann schlief ich eben im Labor. Ich versäumte etliche wichtige gesellschaftliche Ereignisse, weil ich mein Zeitgefühl einfach verloren hatte.
Ich war von Anfang an voll bei der Sache. Dr. Goodes Schwerpunktarbeit war es, einen Weg zu finden, „Blechohren in Gold“ zu verwandeln – durch die Entwicklung einer perfekten, passiven Prothese der Knöchelchen im Mittelohr sowie durch Perfektionierung eines implantierbaren Hörsystems für das Mittelohr, wozu auch eine detaillierte Grundlagenforschung des Gehörs und Hörens gehörte. So arbeiteten wir parallel an angewandter Forschung, zielgerichteter Forschung und Grundlagenforschung. Dazu kamen noch kleinere Projekte wie die Rekonstruktion des Unterkiefers, Neurochirurgie und generell Wiederherstellungsprojekte in allen Hals, Nasen und Ohren betreffenden Gebieten. Ich war damals der einzige Forscher in den USA , der in einem subventionierten Labor in Vollzeit an Mittelohrimplantaten arbeitete, was ich allerdings nicht wusste.
Ein wesentlicher Bereich meiner Arbeit in Stanford war die Vermessung der biomechanischen Funktionen des menschlichen Ohres. Wir lernen meist schon in der Schule, dass das Trommelfell durch Schallwellen, die das Ohr treffen, in Schwingung versetzt wird. Uns interessierte damals das genaue Ausmaß dieser Vibrationen als Reaktion auf einen definierten Schallimpuls. Man wusste zwar, dass die Bewegung des Ohres auf einen Schallimpuls minimal war, aber wir wollten exakte und genaue Messresultate. Darüber hinaus untersuchten wir die Schwingungen des menschlichen Ohres bei niedrigen, mittleren und hohen Frequenzen.
Dazu gab es in den Labors ein Arsenal an unglaublich teuren Instrumenten. Ein einziges wissenschaftliches Versuchsmikrofon kostete 15.000 Dollar, ohne die 12.000 Dollar für die Vorverstärker, die noch benötigt wurden. Um diese kleinsten Schwingungen zu messen, waren die Labortische vibrationsfrei vom Boden isoliert, was noch
Weitere Kostenlose Bücher