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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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ein Haus und juchzte fast: »Guck mal, das sieht fast so aus wie das deiner Großeltern.« Sie war unruhig, aufgeregt, aber ich war froh, dass dieser Fuchs sie abzulenken schien. Und mit dem Haus hatte sie Recht. Letzten Winter waren wir hingefahren. Meine Großmutter verreiste immer mit ihren Freundinnen über Silvester, am Wochenende sollte ich die Katze füttern und wollte nicht allein an den Stadtrand fahren, also fragte ich Friedrich beim Abendessen auf dem Sofa, ob er mitkäme. Berlin war leise in diesen Tagen, die Weihnachtsmärkte waren abgebaut, und die Menschen rieben sich ihre Festtagsbäuche.
    Wir trafen uns in Pankow unter der Brücke am S-Bahnhof. Alle trugen Mützen, und während der Fahrt redete niemand. Als draußen vor dem Fenster die Häuser weniger wurden, drückten wir uns wie Kinder die Nasen an den Scheiben platt, während unter unseren Beinen die Heizung surrte. Die Hosen wurden warm, während die Füße kalt blieben. Schnee lag nicht, das Wetter hatte sich irgendwie verkalkuliert, aber wir hörten nicht auf zu hoffen und schickten manchmal Stoßgebete in den grau melierten Himmel. »Eigentlich haben wir perfekte Konditionen für Schnee«, sagte Tim. Aber es passierte nichts, und ich meinte noch, dass man oft perfekte Konditionen für irgendetwas habe, aber doch nichts dabei herumkomme. Tim rollte mit den Augen, und dann schwiegen wir wieder. Immer zwei hielten sich an den Händen, und ich fand es komisch, dassFriedrich die ganze Fahrt noch keinen Ton von sich gegeben hatte. Er fiel beim Laufen immer ein Stück zurück, ich zog ihn fast hinter mir her. Irgendetwas war los, aber ich hatte keine Lust zu fragen. Schließlich war er alt genug, um seinen Mund aufzumachen. Er war oft so still, und ich fragte, und er antwortete mir nicht, weil er der Meinung war, ich verstünde ihn nicht, er müsse das mit sich klären. Und wenn ich noch einmal fragte, ihn um Erklärung bat, schüttelte er nur den Kopf. Dieses Kopfschütteln mit dieser Mütze darauf konnte ich jetzt nicht ertragen, also fragte ich nicht, und wir liefen über die unebenen gepflasterten Bürgersteige, die uns vom Bahnhof zur kleinen Doppelhaushälfte meiner Großmutter brachten. Ich schloss die schwere, dunkelbraune Holztür mit der bunt gemusterten Glasscheibe auf, an der noch ein Tannenzweig baumelte. Die Hecke sah ausgemergelt aus, das Vogelhaus stand ein bisschen einsam auf seiner Stelze mitten auf dem kleinen Stück Rasen im Vorgarten. Wenn jemand von innen die Tür öffnete, konnte man ihn kommen sehen, aber nicht genau erkennen. Früher hatte ich mir ein Spiel daraus gemacht, an den Schritten auszumachen, wer öffnete, Oma oder Opa. Nach diesem einen Winter, in dem ich viel Zeit mit meinen Eltern an einem Krankenhausbett in einem beigefarbenen Zimmer verbracht hatte, war es immer nur noch meine Großmutter gewesen, und damit war auch dieses Spiel hinfällig geworden.
    Die Katze saß auf dem dunkelgrauen Sofa, als wir das Wohnzimmer betraten. Sie hockte dort und guckte uns an, als hätten wir sie gerade beim Fernsehen gestört. Man hörte nur das Rascheln unserer Jacken, der Winterstoffe und dasKratzen von Wolle, ein paar Schritte. Ich öffnete die Glastür zum Garten, die anderen standen mit den Händen in den Taschen herum. Ganz langsam machte sich die Katze auf den Weg nach draußen, immer wieder skeptische Blicke auf uns werfend. Vor der Tür putzte sie sich die Pfoten und kehrte uns den Rücken zu. Meine Haare klebten elektrisch aufgeladen an meiner Mütze, als ich sie absetzte. Sie legten sich auf mein Gesicht, in meine Mundwinkel. Lene hatte die alten Fotos in der monströsen Schrankwand entdeckt und quiekte hin und wieder entzückt, obwohl sie die meisten Menschen darauf gar nicht kannte und noch nie gesehen hatte. Friedrich folgte der Katze nach draußen, und durch das Fenster in der Küche konnte ich sehen, wie er auf dem breit gepflasterten Weg stand, der zur großen Eiche im hinteren Teil des Garten führte und kurz vor der Hecke in einen winzigen Platz mündete. Der Teich war mit einer Plane abgedeckt, und Friedrich ging den Weg bis zum Ende, wobei er jede Platte mit mindestens einem Fuß berührte und nicht auf Linien trat. Auf dem kleinen Rondell machte er eine Kehrtwende und kam wieder zurück. Friedrich setzte sich auf die Schaukel, die neben dem Weg stand, saß nur da und schaute auf seine Schuhspitzen, bis Lene ihn ins Haus rief. Vielleicht hätte ich diejenige sein sollen, die ihn ruft.
    Die Stimmung war

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