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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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Tischdecke ab. »Wie ein Stummfilm sah das aus, nicht einmal seine Schritte konnte ich hören, als er aufstand und Muster auf die eingestaubten Rohre malte, mit der Hand in den Staub. Dann legte er sich auf den Rücken und starrte in den Himmel, und ich traute mich kaum zu atmen. Ich hätte gern gewusst, wie er heißt, oder welche Musik er da gerade hört. Und dann machte ich ein Foto von ihm. Ohne Blitz und ein bisschen verwackelt, weil ich gezittert hab, obwohl’s nicht kalt war. Auf dem Bild sieht man nur schwarze Konturen und die Laterne und die Rohre. Drei Wochen später trafen wir uns dann auf der Party. Durch Zufall. Ich hab gedacht, ich seh nicht richtig. Nach drei Stunden wusste ich seinen Namen. Und nach drei Wochen kannte ich seine Platten. Von dem Foto hab ich ihm nie erzählt.«
    Als ich schluckte, machte es ein Geräusch. Ich spießte eine Kartoffel auf die Gabel und steckte sie in den Mund. Kalt und glitschig rutschte sie mir über die Zunge, ein StückVerbranntes blieb an einem Zahn hängen. »Jetzt ist es kein Geheimnis mehr«, sagte Lene leise und senkte den Blick. Mit der rechten Hand fegte sie ein paar Krümel vom Tisch, strich über ihre Beine und setzte sich dann wieder gerade hin.
    Es gab in mir mehr als eine Sache, von der Friedrich keine Ahnung hatte und nie haben würde. Ich hatte dabei kein schlechtes Gewissen, nie gehabt.

    Und da war es wieder, das Schweigen, kein normales Schweigen, kein Innehalten, sondern ein Verlust. Bei jedem meiner Sätze kam ich mir lächerlich und unpassend vor, die Unsouveränität und die Angst klebten mir am Körper wie der Schweiß, der auf unserer Haut einen Film hinterließ. Fuhr man darüber, blieben winzige Staubpartikel und Hautschuppen auf der Fingerkuppe kleben. Wir schwiegen und dachten vielleicht, die Welt mache es uns nach, wir schwiegen, weil wir es nicht besser wussten, während das Drumherum weiterlief, die Katze sich auf die Treppe draußen vor der Tür hockte und ihre Pfoten leckte, ein junger Mann in Gummistiefeln die Straße hinunter spazierte und dabei zwei Äpfel wie Jonglierbälle vor sich in die Luft warf.
    Immer wenn die Tür der Kneipe aufging, fuhr ein kleiner Luftstoß über den Kachelboden an unseren Schienbeinen vorbei und verlor sich im Raum. Ich schob den leeren Teller fort. Im Nebenzimmer drehte jemand die Lautstärke des Fernsehers auf, und man hörte eine männliche, zitternde Stimme, die von der sexuellen Vorliebe einer Ehefrauberichtete. Und dass ihn der Hund schon störe, wenn er mit ihr im Bett zugange war. Er könne sich nicht konzentrieren, und dann hörte man eine Frau lachen, und er sagte nichts mehr. Es folgte Applaus, und Lene rückte ein Stück zu mir, die Titelmelodie plärrte zu uns herüber. Draußen hatte sich die Katze in den Schatten des Wagens gesetzt und streckte sich neben dem Vorderreifen aus. Der nächste Talkshowgast fing an, seine Geschichte zu erzählen, seine Vorliebe waren Frauen mit Zöpfen. Geflochten oder normal, viele kleine oder ein großer, kurz und lang, das mache ihn geil und sei an Erotik nicht zu übertreffen. Irgendwo wurde ein Fenster vom Wind zugeschlagen, es klirrte. »Vielleicht kommt Regen jetzt«, meinte Lene. Ich stand auf, wischte mir die schweißnassen Hände an meiner Hose ab, was Striemen auf dem Stoff hinterließ, und stellte mich neben die kleine Frau mit der Kittelschürze, sodass ich den Takt ihres Atems spüren konnte, ohne sie zu berühren. In meinem Rücken Lenes skeptischer Blick.
    »Wir haben ein Problem«, begann ich und sah die Frau von der Seite an. Ihr goldener Ohrring zog ihr das Ohrläppchen ein wenig nach unten, das Loch verzog sich zu einem kleinen Streifen in dem weichen Fleisch, sie hatte die Haare hinters Ohr gestrichen, auf ihrer Oberlippe standen kleine Schweißperlen. Sie nickte kurz, und ich erzählte, was vorgefallen war. »Ich mache mal einen Anruf«, sagte sie. »Mal gucken, was sich machen lässt.« Dann drückte sie sich flink an mir vorbei und hinter den Tresen. Den Hörer hielt sie sich mit zwei Fingern ans Ohr, den Mund ließ sie offen stehen, hob aber immer mal wieder ermutigend die Augenbrauenund lächelte mir zu. Als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte, erschrak ich. Lene stand hinter mir und versuchte dann, ihre Hände in meine Hosentaschen zu quetschen. Weiter als bis zum zweiten Fingergelenk kam sie nicht, sie zog ihre Hände wieder heraus, ließ aber ihren Kopf zwischen meinen Schulterblättern liegen, schwer und unbeweglich.

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