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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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wie Leuchttürme, damit niemand dagegen fliegt, aber ohne Wegweisungsbefugnis. Das Deckenknäuel im Wagen regte sich nicht, es hätte auch einfach viel Gepäck sein können. Und plötzlich wollte ich ans Meer.

    Pausen wie diese fraßen Kraft mit dicken Backen, weil sie keinen offensichtlichen Grund hatten. Aber wir konnten rauchen, unsere Beine ausschütteln, vielleicht eine Runde um das Auto drehen, ein bisschen herumstehen und sagen, wie schön es hier doch eigentlich sei. Und dass wir das früher auf dem Weg an die Küste kaum wahrgenommen hatten, weil es eben nur auf dem Weg lag, aber nicht das Zielwar. Die Strecken an sich waren meistens uninteressant gewesen, uns hatte gejuckt, wo es hingeht, obwohl man es uns immer anders erklärt hatte in der Schule. Wir spielten lieber Karten auf dem Rücksitz, schliefen und fragten, wie lange es noch dauern würde. Und niemand hörte zu, als Vince einen Tag Pause machen wollte auf dem Weg nach Göteborg, »um noch etwas anderes zu sehen, einfach einen Tag bleiben«. Wir winkten ab, wir würden doch nur Zeit verlieren, wir hatten noch so viel vor. Er fragte nicht noch einmal.
    Und nun schaute ich am Windrad hinauf und danach auf den Boden, meine dreckigen, mit Lehmerde beschmierten Schuhe. Nichts hatte eine klare Umrandung, alles lief ineinander, auch der Leberfleck auf meinem rechten Arm hatte früher einmal anders ausgesehen, bestimmt. Satt grüne Büsche streckten ihre Äste auf einen kleinen Weg am Rand des Feldes, Springkraut wuchs dazwischen. Ich lief langsam und hielt Ausschau nach ein paar Schoten, die dick genug waren, um bei Berührung zu zerplatzen und ihr Inneres nach außen zu schießen. Früher steckten wir uns kleine Ziele, von Busch zu Busch sprangen wir und hörten nicht auf, bis wir wieder an den ersten Gartenzäunen angekommen waren, die am Rande der Siedlung meiner Großeltern standen und den Wald von der Stadt trennten, die Sonntage vom Rest der Woche. Bei den Gesprächen der Erwachsenen hörte ich nie zu, aber ich nahm die Wolke ihrer Stimmen wahr. Und als ich in der Lage gewesen wäre, den Sätzen und Argumenten aufmerksam zu folgen, weigerte ich mich, diese Spaziergänge mitzumachen, und blieb im Haus bei der Katze, sah ein bisschen fern, fütterte die Fische im Teich undfreute mich auf den Geruch frischen Kaffees, den sie immer aufsetzten, wenn sie wieder heimkamen. Noch in der Jacke, aber ohne Schuhe ging meine Großmutter jedes Mal in die Küche und löffelte das Pulver aus einer bunten Dose in eine Filtertüte. Abgelegt wurde erst danach, wenn das beruhigende Gurgeln der Kaffeemaschine zu hören war, und ich mochte die Ruhe, die dann auf Knopfdruck einkehrte. Es schien, als könnten sie immer nur miteinander reden, wenn sich ihre Füße dabei bewegten.
    Lene und ich würden ans Meer fahren, das war ein gutes Ziel. Jetzt hatte die Weite ein Ende bekommen, jetzt konnte man sie berechnen, zumindest etwas abschätzen, und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit war ich froh. Oder so etwas wie erleichtert. Auf jeden Fall löste sich ein Krampf in meiner Brust, und meine Füße bewegten sich fast von allein. Ich ging zum Auto und vergewisserte mich, ob Lene noch schlief. Staub setzte sich an den Rändern meiner Schuhe ab, der Weg war trocken, die Sonne schien mir in den Nacken und Lene, wie ich erkennen konnte, durch die Scheiben genau auf den Bauch. Ich machte kleine Schritte und nach jedem vierten drehte ich mich um, um da zu sein, falls sie aufwachte. Bei Schritt 32 stieß ich mit dem Fuß gegen etwas Weiches. Es fauchte, ich schrie kurz auf und machte einen Schritt zurück. Vor mir lag ein rotbrauner Fuchs. Seine Augen starrten mich an, er hechelte. Vielleicht versuchte er zu fliehen, er wand sich, aber er kam nicht von der Stelle, seine beiden Hinterbeine hingen wie Steine an seinem Bauch, seine Stirn glänzte wie seine Schnauze. An der Hüfte hatte er einen kleinen grauen Fleck. Ich stecktemeine schweißnassen Hände in die hinteren Hosentaschen und dachte an Tollwut. Darüber wusste ich nichts, ich erinnerte mich nur daran, dass ich früher nie die Brombeeren essen durfte, die unten am Strauch hingen. Der Fuchs ließ mich nicht aus den Augen. Irgendetwas schien ihn still überwältigt zu haben, sein hinterer Teil hing in den kleinen Graben zwischen Feld und Wegrand, die Vorderfüße lagen auf dem Weg. Als habe er Angst, so sah er aus mit seinen riesigen Augen in den felligen Höhlen, wie Puppenaugen mit langen Wimpern, dunkel und

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