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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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sonderbar gewesen, vielleicht konnte man aber nur schweigen zwischen diesem schweren Holz und dem Geruch von Desinfektionsmittel und Raumspray. Später wurde uns warm, die Wangen röteten sich, und die Katze schnurrte unter dem gekachelten Couchtisch zu unseren Füßen. Wir zündeten Kerzen an, und Friedrich fragte,ob wir Vorsätze gefasst hätten für das neue Jahr. Ich erschrak, weil es der erste richtige Satz war, den er sagte, seit wir hierher gekommen waren. »Ich überlege immer erst am Ende des Jahres, was ich für Vorsätze gehabt haben könnte, wenn ich weiß, was ich geschafft habe«, grinste Lene. Man rührte abwechselnd im Tee, wir hatten jetzt auch Schuhe und Jacken abgelegt, draußen wurde es langsam dunkel. Die Katze schnarchte auf meinem Fuß, ich spürte ihren Atem durch die Socken. »Und du?« Die Frage ging an Friedrich. »Ich weiß nicht. Wenn ich mir überlege, was sein soll, lande ich irgendwie automatisch bei den Dingen, die schon sind. Ich kann nicht sagen, was genau, aber ich habe das Gefühl, es muss sich etwas ändern.« Später, bei der Rückfahrt, tat es immer noch weh, wo ich mir auf die Zunge gebissen hatte, und es dauerte ein paar Tage, bis ich auf der rechten Seite wieder einwandfrei kauen konnte.

    Lene zuppelte an den Rändern ihres Kleides und an den Trägern. Sie säuberte mit einem Taschentuch und Spucke ihre noch teilweise braun mit Erde besprenkelten Schienbeine. »Woran hast du gerade gedacht?«, fragte sie mich, als wir langsam auf das Ortseingangsschild zufuhren. »An nichts.« Dann sagte sie, mehr zu sich als zu mir: »Ich muss die ganze Zeit denken. Es hört nicht auf. Und ich weiß nicht einmal, ob das alles wirklich Erinnerungen sind. Vielleicht war eigentlich alles ganz anders. Ich habe jetzt schon das Gefühl, mich nicht richtig zu erinnern.« Wieder klappte sie den Sonnenschutz auf und schaute in den Spiegel. »Ichbrauch irgendwas zu tun, sonst drehe ich durch. Ich kann nicht mehr denken, weil er dann ständig da ist, weil wir ständig da sind, und weil ich das Gefühl habe, jemand bläst in mir einen Luftballon auf, der alles zur Seite schiebt und alles verdrängt. Der keinen Platz lässt für mich, und es quietscht und presst sich in alle Ecken meines Körpers. Meine Hände halten das nicht aus. Und ich hab das Gefühl, dass alles ein bisschen besser wäre, wenn ich irgendetwas zu tun hätte.« Ich schloss die Finger fest um das Lenkrad und schluckte.
8
    Wir hielten auf dem Parkplatz eines Wirtshauses am Ende der Ortschaft. Lene öffnete die Tür und schlüpfte wieder in ihre Sandalen. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und wusste nicht genau, was sie vorhatte, aber sie wirkte entschlossen. Vielleicht hätten wir dem Fuchs einfach ein bisschen Wasser dalassen sollen, vielleicht hatte ihn schon jemand gefunden, vielleicht war es längst zu spät. Lene ging mit schnellen Schritten die kleine Treppe zur schweren Eingangstür hinauf, daneben stand ein Schild auf drei Beinen: Bratkartoffeln, vier Euro. Extra knusprig. Lene drückte ihre Schulter gegen die Tür, und nichts passierte. Erst als ich mich mit meinem Gewicht dagegen stemmte, öffnete sie sich, und uns schlug der Geruch von geschmorten Zwiebelnentgegen. Die Gaststube hatte holzvertäfelte Wände, an denen Schwarzweißfotos von Häusern hingen. Überall, in jede Lücke war noch eins gequetscht worden. Die meisten waren gerahmt, andere hatte man in die schmalen Ritzen zwischen Rahmen und Wand gesteckt, wo sie mal besser, mal schlechter hielten. Irgendwo klapperte Geschirr, eine Radiostimme zählte gerade die Staus in der Gegend auf oder in irgendeiner anderen. Aus einem Nebenraum ertönte ein Pfiff. »Guten Tag«, sagte ich lauter als gewollt. Auf einer Eckbank saß ein in sich zusammengefallener, dicker Mann, der nun aufsah. Ihm hing das Hemd aus der Hose, seine Sachen hatten alle einen ähnlich grünbraunen Farbton, seine schwieligen Hände hatte er ganz um ein kleines Schnapsglas gefaltet, das zwischen seinen Fingern fast verschwand. »Ach nee«, entfuhr es ihm. »Hallo«, sagte Lene leise und schaute mich fragend an, drehte die Schulter ein, als wolle sie wieder gehen, aber ich hielt sie sanft fest. Jetzt waren wir schon mal da. »Guten Tag«, wiederholte ich, »wir suchen jemanden, einen Jäger vielleicht oder einen Förster. Ein paar Minuten von hier liegt ein Fuchs, der seine Hinterläufe nicht mehr bewegen kann. Vielleicht kann ihm jemand helfen, der Ahnung davon hat.« – »Einfach abknallen«,

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