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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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Anfang und
     Ende und ohne, dass mich irgendjemand bemerkte, eine Zwischenzeit, in der mir vielleicht jemand wortlos ein Getränk oder noch ein Croissant hinstellte,
     aber dann wieder seinen Aufgaben folgte, die ich hören konnte als Hintergrundkulisse. Das leise Klimpern von gezähltem Geld, das Kratzen des langen
     Schubbrettes auf dem Boden des Ofens. Und ich dachte an Friedrich und vermisste ihn plötzlich auf eine Art und Weise, wie ich ihn noch nie vermisst
     hatte. Ich strengte mich an, aber mir fiel sein Gesicht nicht ein, die Einzelteile schon, aber nicht das Gesicht im Ganzen, die Komposition aus den
     einzelnen Teilen, und mein Herz raste. Eine Selbstverständlichkeit wäre jetzt schön gewesen. Und ich hatte immer gedacht, Friedrichs Gesicht gehöre
     dazu. Ich wollte eine Entscheidung, bei der ich nicht mehr abwägen musste, die mein Körper für mich traf. Türen auf und zu machen, den klemmenden
     Schlüssel beherrschen, Licht an undausschalten, atmen, einkaufen, der Kassiererin ansehen, dass sie letzte Nacht auch nicht so viel geschlafen hat, die Seite drei lesen, eine SMS bekommen, irgendetwas. Aber nichts geschah. Und Lene lag nicht mehr in ihrem Bett.

    Ich streckte meinen Arm aus und suchte nach meinem Telefon. Es tat weh, wo die Haut auf der Bettkante lag, aber der Arm war so schwer, und ich ließ ihn eine Weile so liegen, bis das Blut in meine Hand geflossen war, ich hätte ewig so liegen können. Den Arm wieder zu heben, kostete Überwindung, aber Friedrich ging sofort ran. Er klang verschlafen. Es war kurz nach neun.
    »Hey«, sagte ich.
    »Na?«, sagte er.
    »Na.«
    »Wo seid ihr?«
    »In einem Haus in einem Wald in Mecklenburg.«
    »Immer noch?«
    »Ja. Immer noch.«
    »Warum meldest du dich erst jetzt?«
    Ich wusste keine Antwort. Ich hatte gedacht, er würde sich freuen, mich zu hören. Und gehofft, dass mit seiner Stimme auch sein Gesicht zurückkehren würde.
    »Ich habe versucht, dich zu erreichen«, fuhr er fort. »Manche Leute machen sich Sorgen.«
    Ich musste leise lachen.
    »Du lachst?« Seine Stimme wurde lauter.
    »Entschuldigung.« Ich räusperte mich und schobhinterher, dass ich nicht wusste, warum ich mich jetzt erst wieder meldete. »Es war jetzt eben der richtige Zeitpunkt.«
    »Tonia, findest du das lustig?«
    »Nein.«
    »Scheint aber so. Es geht hier nicht um Zeitpunkte, sondern darum, dass ihr einfach abgehauen seid, ohne Bescheid zu sagen, und die halbe Stadt nicht weiß, wo ihr steckt. Was soll das denn?«
    Ich schwieg und beobachtete, wie meine Zehen die Bettdecke hoben und senkten wie ein Meer.
    »Woher soll ich wissen, dass es euch gut geht? In einem Haus in Mecklenburg. Macht ihr Ferien?« Seine Stimme hatte sich wieder ein bisschen beruhigt, aber so saßen seine Worte noch passgenauer, trafen genau dort, wo sie treffen sollten. Er formulierte Vorwürfe immer genau so. Dass man ihm keinen Strick draus drehen konnte. Als würde er das Wetter aus der Zeitung vorlesen. 27°, bewölkt, mit Schauern ist zu rechnen.
    »Meinst du, es ist gut für Lene, wenn ihr da durch die Gegend düst? Die gehört zu ihren Eltern und jemandem, der auf sie aufpasst. Nicht irgendwo in die Pampa.«
    Ich schluckte. »Es geht immer um den richtigen Zeitpunkt«, sagte ich, legte auf und schaltete das Telefon aus. Ich wusste, er hatte Recht mit seinen Zweifeln. Aber dass er zu denken schien, ich käme nicht selbst darauf, ich würde nicht auf Lene aufpassen, machte mich wütend. Für ihn waren die Dinge immer eindeutig, immer klar strukturiert, vor zurück links rechts. Das waren seine Richtungen. Oben und unten gab es noch. Das war’s. Ich spürte die Federn der Matratzeunter meinem Rücken, sie quietschten leise, wenn ich mich bewegte. Dann stand ich auf, setzte einen Fuß vor den anderen, langsam und unbeweglich, irgendwo blökte ein Schaf. Vom Fenster aus sah ich die Bäume und die Felder in grünen Quadraten dahinter. Ich hätte Friedrich von meiner Planlosigkeit erzählen können, von dem Gefühl dieser Blase, in der wir uns gerade bewegten, die sich mit unserem Vorankommen immer weiter ausdehnte, und von der Anstrengung, die es brauchte, um die Verbindung mit der Restwelt aufrechtzuerhalten. Er war ja nicht dabei, wie konnte er so reden? Und sollte er nicht eigentlich hier sein, anstatt hinter einem Vorhang aus Vorwürfen, den er laut auf und zu zieht, sobald man sich ihm zuwendet? Ich hielt ihn für feige und er mich genauso, da nahmen wir uns nicht viel. Aber ich wusste, dass er

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