Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
Vom Netzwerk:
auf einem der Barhocker Platz nahm. Das Grau der Wolken vor dem Fenster hatte sich ausgedehnt, undplötzlich sehnte ich mich nach meinem Zuhause, meinem Bett. Wie gern hätte ich jetzt in der Hängematte im Garten hinter dem Haus meiner Eltern gelegen, das aufgeregte Kramen von drinnen gehört und dann von ihnen am Abendbrottisch den neuesten Tratsch aus der Siedlung erfahren. Wie gern hätte ich mir eine Scheibe Käse auf eine Scheibe Schwarzbrot gelegt, ein bisschen gesalzen und Tomate darüber geschnitten. Ich sehnte mich nach der zitterigen Hand meines Vaters, die die Teller übereinander stapelte, um sie danach abzuräumen, während meine Mutter aufgeregt in der Küche noch ein wenig Obst wusch, das sie dann in einer selbst getöpferten Schale auf den Gartentisch stellte. Statt nach Kräutern und Baumrinde roch es hier drinnen nur abgestanden und rauchig, der Dunst hing hoch oben unter den Holzbalken, und die Männer in der Ecke machten sich einen Spaß draus, sich gegenseitig ins Gesicht zu paffen. Dabei war es eine Kunst, die Miene nicht zu verziehen, nicht zu husten, sich am besten einfach gar nicht zu regen und weiterhin geradeaus zu schauen durch die anderen hindurch und an den richtigen Stellen in der kollektiven Murmelei zu lachen oder auf den Tisch zu klopfen. Da stellte Lene einen flachen Pappkarton neben mir auf dem Tresen ab. »Wir spielen jetzt«, sagte sie und während Frau Benimm, so hieß die Wirtin, Erdnüsse neben uns deponierte, packte Lene ein Spielbrett und mehrere Figuren aus. Ich bekam die Blauen, sie wollte unbedingt Rot, und dann würfelten wir um die Wette, bis es langsam dunkel wurde. Manchmal vergaßen wir, die Figuren in ihr Zuhause zu bringen, und sie liefen Runde um Runde, ohne anzukommen. Lene legte ihr Kinnauf die abgeknickte Hand über dem aufgestützten Arm, meistens sah sie nach unten. Frau Benimm stellte eine Kerze vor uns hin, und als sie danach wie nach getaner Arbeit ihre Hände auf das maserige Holz der Theke legte, sah ich zum ersten Mal ihre lackierten Nägel und die feinen Risse in der Haut. Manchmal schielte ich aus den Augenwinkeln nach einer Uhr, nur der Orientierung wegen, aber eigentlich war es egal. Frau Benimm stellte mit lautem Knall ein paar Schnapsgläser auf dem großen Tisch ab, und die Männer dankten es ihr mit lautem Gejohle. Einer legte ihr eine Hand um die Hüfte und den Ledergurt, an dem ihr großes Portemonnaie sowie Block und Stift befestigt waren. Behutsam und beinahe unbemerkt schob sie die Hand beiseite. Sie machte diesen Weg zum Stammtisch an diesem Abend noch ein paar Mal, mit leeren und vollen Gläsern. Zum Abschied, als vom Licht nur noch ein blauer Streifen am Horizont übrig geblieben war, gab ihr jeder einen Kuss auf die Wange. Lene und ich schauten ihnen von der Treppe aus nach, wie sie im Pulk die Dorfstraße entlang stapften und sich wankend nach und nach unter dem Licht der Laternen zerstreuten. Auf meinem linken Fuß saß die Katze, ihre Wärme reichte durch meinen Schuh hindurch. Ihr gleichmäßiges Atmen und Schnurren war angenehm, im Gebüsch zirpten Grillen. Lene kraulte die Katze im Nacken und warf hin und wieder ein paar Kiesel auf das ungleichmäßige Pflaster des schmalen Gehsteigs. Einmal traf sie eine Mülltonne aus Metall ein paar Meter weiter, es schepperte, die Katze schreckte auf, stolzierte davon, und Lene ließ die Hände sinken. Die Nacht lag vor uns, als habe sie nur darauf gewartet, dass wirvorbeikommen und ihr dabei zusehen, wie sie so daliegt und sich ausbreitet, in jede Ecke kriecht und die Geräusche des Tages verschluckt. »Man könnte in den Wald hineinrufen, und es käme nichts wieder raus«, sagte Lene, stand auf und ging wieder hinein. Ein paar Minuten noch blieb ich sitzen, schaute ins Dunkel auf der anderen Seite der Straße und wartete auf einen Wind, aber es kam keiner. Die Luft stand wieder still und so scheinbar auch der Rest der Welt zum ersten Mal seit langer Zeit. Selbst im Gebüsch bewegte sich nichts.

    Wir folgten Frau Benimm mit dem Auto. Auf einer beigen Schwalbe fuhr sie im Lichtkegel vor uns her ins Dunkel. Das Gras am Straßenrand leuchtete immer kurz auf, grell und farblos. Das leise Knattern der Maschine, die braunen Haare, die unter dem Helm hervor flatterten, Lenes Schweigen seit einer Stunde. Eigentlich beruhigte es mich, nachts Auto zu fahren. Man konnte laut Musik hören und musste sich auf nichts außer das Fahren konzentrieren, manchmal öffnete man das Fenster, um das

Weitere Kostenlose Bücher