Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
Vom Netzwerk:
nicht weinend vor einer Heizung stand in einem Zwergenzimmer, er machte sicher das, was er immer tat, legte seine gewohnten Wege in der gewohnten Geschwindigkeit zurück.
    Warme Luft schlug mir entgegen, als ich die Tür zum Garten öffnete. Dort stand Lene im Gras und machte seltsame Bewegungen. Mit der rechten Hand
     versuchte sie sich auf den Kopf zu klopfen, während die linke flach auf ihrem Bauch lag. »Ich bekomme es einfach nicht hin«, fluchte sie in meine
     Richtung. »Der Trick ist, dass du oben klopfst und unten reibst. Unabhängig voneinander. Es geht einfach nicht.« Ich versuchte es auch, scheiterte aber
     und ließ es bleiben, während Lene auf einem Bein balancierte. Auf den Treppenstufen sitzend betrachtete ich den Garten. Ein bisschen verwildert sah er
     aus, alles war ein bisschen zu langund zu groß, aber dennoch gewollt, er wurde nicht vergessen, er durfte einfach, wie er wollte. Und
     neben der Birke, von der lange Lianen bis ins Gras hingen, stand Frau Benimm mit dem Rücken zu uns vor zwei Beeten voller Vergissmeinnicht. Wieder
     murmelte sie leise vor sich hin. Sie schien hier ein völlig anderer Mensch zu sein als in der Kneipe. Aber sie konnte, was Lene die ganze Zeit
     versuchte. In kniehohen, grünen Gummistiefeln und kurzem Rock stand sie vor den blauen Rechtecken und vollführte das Kunststück.
    Ich ging nach oben, packte unsere Sachen, und eine halbe Stunde später fuhren wir ab. Beim Abschied lächelte Benimm wie am Tag zuvor. Sie hatte uns Brote für
     die Fahrt geschmiert, die nun in einer roten und einer gelben Plastikdose auf dem Rücksitz lagen. Sie winkte und kaute frische Kräuter aus ihrer
     Hosentasche. Und sie hatte nicht ein einziges Mal gefragt, wieso wir eigentlich auf Reisen waren wohin wir wollten. Als wir wieder auf der Hauptstraße
     waren, sagte Lene: »Das unter den Vergissmeinnicht waren Gräber«, und schnallte sich an. Sie verzog keine Miene dabei, schaute nur geradeaus auf die
     Straße, als wäre sie Wasser, als hätte sie kein Ende und keinen Horizont.
11
    Ich hielt vor einem Supermarkt. Lene stieg sofort aus, während ich ein bisschen länger brauchte, um mich zu sortieren, diese Fahrerei machte mich mürbe im Kopf, meine Beine kribbelten, meine Arme auch, und als ich neben dem Auto stand, war Lene schon um die Ecke gebogen. Ich wusste, ich sollte jetzt hinterher gehen, schauen, wohin sie sich aufmachte. Aber irgendetwas hielt mich davon ab. Wieso machte sie das? Wieso verschwand sie, ohne ein Wort zu sagen? Zum Anlehnen war die Autotür zu heiß, also schloss ich ab und ging ein paar Schritte auf und ab. Lene war schwierig einzuschätzen in diesen Tagen, ich selbst war schwierig einzuschätzen in diesen Tagen, die Dinge waren so, wie sie noch nie waren. Nach ein paar Minuten hielt ich es nicht mehr aus und ging in die Richtung, in die Lene losgelaufen war. Die Straße führte durch einen kleinen Ort, völlig verlassen, auf der Straße war niemand außer mir. An einem kleinen Kreisverkehr blieb ich stehen. Schräg gegenüber war eine Gaststätte mit eisernem Schild, das im Winter vielleicht quietschte und knarzte, wenn der Wind über die Kreuzung sauste: Zum Inselreiter . Hinter mir eine Eisdiele, aus der leise Musik schallte. Ich balancierte auf einer Bordsteinkante und schaute auf meine Füße wie durch ein Objektiv, ich wartete auf ein Auto, das an mir vorbeiraste und einen Windhauch verursachte, vielleicht hupte, irgendwas. Mein Körper war schwer, ich hatte keine Lust auf Versteckspielchen. Vor der Gaststätte roch es nach Sellerie und Fett,die Eingangstür ging einen kleinen Spalt auf und eine Katze huschte hinaus und in ein kleines Kellerloch im Nachbarhaus. Irgendwo in der Ferne brummten Motoren. Eine schmale Straße führte vom Kreisel weg auf einen kleinen Hügel; hatte man sich die kleine Anhöhe hinaufgeschleppt, schaute man auf eine grün bewachsene Halbinsel, die von hohen, kräftigen Bäumen eingerahmt wurde. Dahinter glitzerte ein See. Und auf einem gelben Trampolin sah ich Lene sitzen, sie zwirbelte Haarspitzen zwischen den Fingern, rieb sich die Schienbeine, legte den Kopf auf den Knien ab. Ich wünschte, ich könnte einfach hingehen und fragen, wie sie heißt, und sie könnte sich ein neues Leben ausdenken. Sie nickte nur und schlug die Augen nieder, als ich mich neben sie setzte. Dicke Wolken zogen an uns vorbei, es gab keine passenden Worte, eine Fliege landete auf meinem Bein, ich hatte Lust zu baden. Und Lene holte tief Luft. »Es ist

Weitere Kostenlose Bücher